Laibach in einem neuen Musical: Mit dem nötigen Misstrauen

Im Musiktheater­projekt „Wir sind das Volk – ein Musical“ gehen die Fanfarenrocker Laibach mit den Worten von Heiner Müller in Berlin auf die Bühne.

Pathetische Grüße aus oder an einem Grab

Geht es um Laibach, darf es auch mal ein bisschen gruselig zugehen Foto: Laibach & Valnoir

Da kann man doch einfach mal drüber nachdenken: „Zehn Deutsche sind dümmer als fünf Deutsche.“ Das hat der Heiner Müller mal gesagt in seiner kernigen Art, und da mag man eine grundsätzliche Skepsis gegenüber den Deutschen herauslesen oder auch schlicht eine Vertrautheit mit den Grundrechenarten und dass in der Addition manches monströser wird, wenn sie sich da zusammenrotten.

Und schon ist man beim Thema: Um das Volk soll es nächste Woche im Hebbel-Theater (HAU1) gehen, aufgehängt an einem wichtigen Slogan aus den Wendetagen und dreißig Jahre später mit Texten von Heiner Müller prüfend in den Blick genommen. Der Slogan ist natürlich „Wir sind das Volk“. Für eine erste kleine Irritation hat man dem Slogan nach einem Gedankenstrich noch „ein Musical“ zugeordnet.

„Wir sind das Volk – ein Musical“. Ein gesellig beschwingter Abend also?

Da sollten sich aber schon die Worte von Heiner Müller dagegenstemmen, dem 1995 verstorbenen Dramatiker, dem scharfsinnigen Stänkerer, Aphoristiker und Zyniker mit der DDR-Vita, der sich wie Bertolt Brecht gern mit einer Zigarre ablichten ließ und der ja auch an dessen Berliner Ensemble gearbeitet hat. Dieser Müller meinte nun in einem Interview mit dem Spiegel im Jahr 1990: „Sobald das Wort ‚Volk‘ fällt, werde ich doch misstrauisch.“

Stoffe und Texte als Material

In dem Projekt soll mit Texten und Fragmenten von Heiner Müller sowie Stoffen und Texten, die wiederum Müller selbst als Material dienten, den Begriffen „Volk“ und „Nation“ nachgegangen werden und auch der Ausgrenzung: dem Ausschluss derer, die bei jenen, die gerade so gern vom Volk reden, nicht richtig mitmachen sollen. Was nun nicht unbedingt das klassische Feel-Good-Musical-Thema ist. Aber mit den für den musikalischen Teil verantwortlichen Laibach hat man für „Wir sind das Volk“ auch nicht wirklich so eine flott beschwingte Musicalkapelle auf die Bühne gebeten.

Diese Industrialpioniere, Fanfarenrocker und Musikstrategen mit Kunsthintergrund (von denen sich Rammstein etliche Tricks abguckten) haben sich schon einmal umfänglich und hintergründig mit dem Begriff „Volk“ auseinandergesetzt, mit ihrem Album diesen Titels. Auf „Volk“ versammelten Laibach ihre Interpretationen von einigen Nationalhymnen. „Volk“ meint im Slowenischen allerdings den Wolf. Und auf dem Cover des 2006 erschienenen Albums ist dann ein nach Idylle riechendes Bild von freundlichen Schafen zu sehen. Eine typische und gar nicht wirklich auflösbare Laibach’sche Doppelzüngigkeit.

1980 nahmen Laibach, damals noch in Jugoslawien, ihre Arbeit auf, mittlerweile dürfen sie, die die Nomenklatura in ihrem Land gehörig gepiesackt haben, längst als einer der renommiertesten Kulturexporte Sloweniens gelten. Also etabliert und so gefestigt in der Bedeutung, dass manche schon meinen, dass es da gar kein Spiel mit dem Feuer mehr gebe und die Band einen so nicht mehr interessieren müsse mit ihren Rückgriffen auf die schweren und kontaminierten Zeichen aus Faschismus und sozialistischem Realismus, die noch einmal gut durchgemischt wurden mit popkulturellen Symbolen.

Denksport fürs Feuilleton

Tatsächlich sind Laibach zwischendurch ein wenig in der Versenkung beziehungsweise auf Metalfestivalbühnen verschwunden, bis sie plötzlich vor wenigen Jahren mit einem Auftritt in Pjöngjang in Nordkorea wieder so eine Denksportaufgabe für das Feuilleton vorlegten. Ja darf man das überhaupt? Und dürfen ausgerechnet die das, als Band mit dem eingebauten Totalitarismusverdacht in dem Schreckbild eines totalitären Staates spielen?

Ein Musical:

„Wir sind das Volk“ heißt es im Berliner HAU1, mit einem nachgeschobenen „ein Musical“. So champagnerlaunig beschwingt aber darf man sich das eher nicht vorstellen, schließlich geht es hier nach Texten von Heiner Müller, und auf der Bühne stehen die Stiefelschrittrocker Laibach.

Knapp bemessen:

Fürs Erste gibt es nur drei Termine von „Wir sind das Volk – ein Musical“. Premiere im HAU1, Strese­mannstraße 29, ist Samstag, 8. Februar, um 20 Uhr. Anschließend gibt es die Aufführungen am Sonntag und Montag. Restkarten gegebenenfalls an der Abendkasse.

Auch das: nicht auflösbar. Aber das Prinzip Laibach heißt nun mal auch, dass man deren durchaus aufklärerisches Tun mit sich ausmachen muss, weil sie eben beharrlich bohrend ihre Frage stellen: Wie viel Überwältigungsgestik darf es denn bitte sein, in der Musik und sonst wo?

Nächstes Wochenende darf man sich die Frage mit Laibach wieder mal in Berlin stellen. Drei Aufführungen soll es nur geben im HAU1; ungewiss noch, ob „Wir sind das Volk – ein Musical“ den Weg auf weitere Bühnen finden wird. Festgehalten werden aber soll es: Ein Laibach-Album mit dem Musical ist geplant.

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