Radrundfahrt in Australien: Wettrennen durch die Krisenregion

Die Tour Down Under führt die Radprofis in Australien quer durch von Waldbränden verwüstete Landstriche. Die Katastrophe ist allgegenwärtig.

Radfahrer in verbrannter Landschaft

Verbrannte Landschaft rund um Adelaide: das Peloton im Katastrophengebiet Foto: reuters

Schwarz und bunt – das sind die Kon­traste, die die Santos Tour Down Under derzeit liefert. Das erste WorldTour-Rennen der Saison führt durch die von Bränden verheerte Region Adelaide. Die Baumstämme waren dort noch schwarz vom Feuer, das hier im Dezember gewütet hatte. Braunes Laub hing weiter oben an den Bäumen. Unten indes schob sich das quietschbunte Peloton der Berufsradfahrer über die frei geräumten Straßen. „Selbst haben wir immer noch ein bisschen den Geruch von verbrannten Sachen in der Nase. Das hat man heute gerochen und auch gestern“, teilte Sprinter André Greipel nach der dritten von insgesamt sechs Etappen mit.

Greipel versucht im Trikot des neu in die Elitekategorie aufgestiegenen Rennstalls Israel Start-up Nation an alte Erfolge anzuknüpfen. In den Massensprints holte er bisher die Plätze vier und fünf.

Überschattet ist das Rennen aber von den Verwüstungen. „Es ist natürlich nicht schön, zu sehen, wie viel Land da verbrannt ist und wie viel Eigentum auch zerstört wurde. Viele Häuser sind ausgebrannt, viele wurden aber auch gerettet“, beschrieb Greipel weiter seine Eindrücke. „Natürlich ist das Thema hier, es war schon vor dem Rennen ein Thema. Da wurde man gefragt, wie viel man davon mitkriegt“, meinte auch Roger Kluge, Radprofi bei Team Lotto Soudal und Anfahrer des bisher zweifachen Etappensiegers Caleb Ewan. Auch ihm stieg der Brandgeruch im Training und auf einzelnen Etappen in die Nase.

Die Rundfahrt halten die Profis und ihre Betreuer aber prinzipiell für durchführbar. „Beeinträchtigungen gibt es für uns nicht. Man kann auf jeden Fall zu hundert Prozent sagen, dass es nicht gefährlich ist“, teilte Greipel per WhatsApp mit. „Wo wir sind, ist es eher kühl, und es hat auch geregnet. Man hat kein Feuer gesehen, die Luft ist ganz normal sauber. Da sind die Sportler nicht beeinträchtigt“, meinte Enrico Poitschke, sportlicher Leiter von Team Bora hansgrohe, per Telefon.

Moralischer Impuls

Hier unterscheidet sich die Situation beim WorldTour-Rennen von der unterklassiger Rennen. Bei der Tour of Siak in Indonesien im September 2019 mussten die Fahrer wegen der akuten Gefahren Mundschutz und Partikelfilter anlegen, wie damals Robert Müller, einziger deutscher Teilnehmer, schilderte: „Die Hauptbrände waren zwar etwa hundert Kilometer entfernt, aber dieser schlimme Rauch war überall. Die Sicht war ganz gering, zwischen 50 und 100 Meter nur. Das Gesicht brannte wegen des Rauchs, die Kleidung roch danach. Man spürte es auch in den Augen, die haben teilweise getränt.“ Das Rennen wurde dennoch durchgezogen, trotz Protesten einzelner Fahrer. Lediglich einige Etappen wurden verkürzt.

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In Australien liegt der Parcours offenbar weiter entfernt von den aktuellen Brandherden. Lokale Medien begrüßten das Rennen auch als moralischen und wirtschaftlichen Impuls für die Gemeinden am Rande der Strecke. Diesen Eindruck teilt Poitschke „Wir sind durch Ortschaften gefahren, in denen es vor einigen Wochen noch gebrannt hat. Der Veranstalter des Rennens hat uns zu verstehen gegeben, dass diese Ortschaften extra darum gebeten haben, das Rennen dort entlangführen zu lassen, damit die Leute wieder in ein normales Leben zurückfinden, wieder Spaß an anderen Sachen haben und nicht nur an die schlimmen Ereignisse zurückdenken“, sagte er der taz. Die Teams und einzelne Fahrer initiierten auch Spendenkampagnen und stifteten das komplette Preisgeld des Kriteriums, das unmittelbar vor der Tour Down ausgetragen worden war.

Über solche löblichen Spendenaktionen hinaus muss der Straßenradsport aber auch neue Strategien entwickeln, wenn Rundfahrten nicht zu Katas­trophen­begleitevents mutieren sollen.

Erste Ansätze gibt es. Der belgische Rennstall Deceu­ninck Quick Step will klimaneutral werden und dafür unter anderem weniger Plastik verbrauchen, stärker recyceln und mehr Wege mit dem Rad statt mit dem Auto zurücklegen. Andere Teams und auch die Rennveranstalter sollten folgen.

Das wird an sich noch nicht direkt Wald- und Buschbrände wie die jetzigen in Australien oder im vergangenen Herbst in Indonesien verhindern. Es trüge insgesamt aber zu einer Entlastung bei und könnte angesichts der Prominenz der Rennställe auch beispielgebend für Zuschauer und andere Sportarten werden. Die Draußenveranstaltung Straßenradsport steht wegen des Klimawandels schließlich selbst vor großen Herausforderungen.

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