Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Anti-Hass-Novelle ohne Gegenliebe

Das Bundesjustizministerium hat einen neuen Gesetzentwurf gegen Hate Speech im Netz vorgelegt. Doch es gibt harsche Kritik.

Porträt Christine Lambrecht

Ihre Verbesserungsvorschläge zünden nicht: Justizministerin Christine Lambrecht Foto: dpa

Es sei ja nur ein Referentenentwurf, lässt das Bundesministerium für Justiz mitteilen, also kein in Stein gemeißelter Gesetzestext. Die Defensive um die Novelle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) kommt nicht von ungefähr. Die zivilgesellschaftlichen Stakeholder, bei denen der Entwurf derzeit zirkuliert, zeigen sich nämlich nicht sonderlich begeistert von den Verbesserungsvorschlägen aus dem Haus von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Schon der jetzige Stand des NetzDG hat kaum Freun­d*in­nen, weshalb die Überarbeitung des gerade mal zwei Jahre alten Textes auch dringend geboten ist. Einer der Hauptkritikpunkte ist die Privatisierung der Entscheidung in gegebenenfalls strittigen Rechtsfragen. So sind Internet-Plattformen laut NetzDG verpflichtet „offensichtlich rechtswidrige“ Beiträge zu entfernen. Die Beurteilung, Kategorisierung und Sanktionierung möglicher Rechtsverstöße in die Hände von beispielsweise Twitter, Facebook und Google (als YouTube-Mutterfirma) zu geben, birgt tatsächlich mehrere Risiken.

So sind die Kriterien, nach denen gelöscht wird, bis heute reichlich intransparent und oft selbst auf gerichtlichem Wege kaum zu überprüfen. Es kommt einerseits zu Entscheidungen, Inhalte online zu lassen, die für durchschnittliche ­Nut­ze­r*in­nen „offensichtlich rechtswidrigen“ Inhalts sein können. Andererseits werden immer wieder gezielt von rechten Trollgruppen gemeldete Accounts in den Netzwerken gesperrt, obwohl Verstöße gegen Gesetze bei genauer Betrachtung kaum nachvollziehbar sind. Des weiteren wird ein sogenanntes Overblocking beobachtet, also die vorsorgliche Sperrung von Inhalten, die sich bei einer qualifizierten Prüfung nicht einmal in der Nähe offensichtlicher Rechtswidrigkeit befänden.

Verbände von Ju­ris­t*in­nen kritisieren, dass dieser Hang zur Privatisierung strafrechtlicher Vorprüfung statt dass er eingegrenzt, sogar noch ausgebaut wird. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein verweist dabei auf Meldepflichten gegenüber dem Bundeskriminalamt. Der Deutsche Juristinnenbund legt dazu einen Schwerpunkt seiner Stellungnahme auf die fehlende Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Bedrohungen im Netz.

Ein Problem in der Analyse der Wirksamkeit des NetzDG, das zum Beispiel die Amadeu Antonio Stiftung in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf benennt, ist die fehlende Evaluation. Alle Beobachtungen zur Umsetzung der bisherigen Regelungen kommen kaum über einen anekdotischen Rahmen hinaus, da die Provider nicht verpflichtet sind, nach einheitlichen Standards Rechenschaft über Anfragen, Meldungen und Entscheidungen über Löschungen abzulegen. Eine wissenschaftlich valide oder informierte mediale Bewertung sei so nicht möglich. Auch der aktuelle Entwurf gehe, neben vielen anderen, diesen Mangel nicht an.

Jedoch: Es ist ja nur ein Referentenentwurf. Verbesserungen sind also nicht gänzlich ausgeschlossen. Nach der Ressortabstimmung soll das Gesetzespaket im Frühjahr durch das Bundeskabinett gehen.

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