Klagen für eine bessere Zukunft

Mit Verfassungsbeschwerden wollen Umweltverbände und AktivistInnen Druck machen beim Klimaschutz. Die Klagen liegen im Trend – trotz des ungewissen Ausgangs

Auch Aktivistin Luisa ­Neu­bauer will mit einer Verfassungs­beschwerde gegen das Klimapaket der Bundesregierung vorgehen Foto: Kay Nietfeld/dpa

Von Bernhard Pötter

Als der Bundestag am 15. November letzten Jahres das Klimaschutzgesetz beschloss, sagte SPD-Umweltministerin Svenja Schulze: „Wir sorgen dafür, dass sich klimafreundliches Verhalten in der Zukunft auch lohnt.“ Für das Parlament, den Bundesrat und die Regierung hat ihr Verhalten jetzt aber erst einmal ein juristisches Nachspiel: Mit drei neuen Verfassungsbeschwerden greifen Umweltverbände und junge Betroffene das Klimagesetz an. Das erklärten sie am Mittwoch in Berlin. Ob und wann das höchste deutsche Gericht über diese Klage entscheidet, ist bislang offen.

Aktuell unterstützen Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe und Germanwatch drei neue Beschwerden: 10 Kinder und Jugendliche aus Deutschland sehen ihre Grundrechte ebenso verletzt wie 15 Betroffene aus Nepal und Bangladesch. Eine dritte Beschwerde kommt von 9 jungen Menschen, unter ihnen die FFF-Aktivistin Luisa Neubauer, die teilweise auch schon auf EU-Ebene klagen. Dazu kommt eine Verfassungsbeschwerde von Betroffenen, die vom BUND unterstützt wird und bereits seit November 2018 beim Verfassungsgericht liegt.

Die Kläger bemängeln, das Klimaschutzgesetz sei „unschlüssig, ungeeignet und mit Schutzpflichten unvereinbar“. Es erlaube zu viele Emissionen und nehme „damit der Generation der Beschwerdeführer die Entscheidungsmöglichkeit über ihre eigene Zukunft“. Sie monieren Verstöße gegen ihre Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit, Eigentumsrechte, Berufsfreiheit und gegen die Pflicht des Staates zur Bewahrung der Umwelt.

Miriam Siebeck, 15-jährige FFF-Aktivistin aus Stuttgart, sagte: „Die Regierung hält sich nicht an ihre Pflicht, unsere Lebensgrundlagen zu schützen.“ Und für Luisa Neubauer geht es um die Frage: Ist das Nichthandeln der Regierung mit der Verfassung zu vereinbaren?“

Doch ob diese Frage überhaupt entschieden wird, ist unklar. Denn das Bundesverfassungsgericht befindet selbst darüber, ob es die Beschwerden annimmt und dann möglicherweise entscheidet, ob und in welchen Punkten ein Gesetz unzureichend ist. Einerseits hat das höchste Gericht in Umweltfragen oft dem Gesetzgeber weiten Spielraum eingeräumt. Und mit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes wurde durchaus gehandelt – wenn auch nach Ansicht der Umweltverbände viel zu wenig.

Das Klimaschutz­gesetz sei „un­geeignet und mit Schutzpflichten unvereinbar“

Andererseits habe das Verfassungsgericht großes Inte­resse an der Verfassungsklage des BUND von 2018 erkennen lassen, berichtet BUND-Anwalt Felix Ekardt: Es hat Stellungnahmen von Parlament und Regierung angefordert, die jetzt langsam eingehen. Und die Kläger hoffen, dass der erfolgreiche Prozess der niederländischen Umweltorganisation Urgenda zum Vorbild wird: In den Niederlanden hatte erst am 20. Dezember der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz die Regierung zu einem effektiveren Klimaschutz verdonnert.

Die Klagen liegen im Trend. Immer häufiger fordern Betroffene vor Gericht besseren Klimaschutz ein: Weltweit laufen Hunderte von „Klima-Prozessen“. So klagen etwa Inselbewohner und Betroffene aus ganz Europa vor EU-Gerichten. Und im Prozess eines peruanischen Bergführers gegen RWE, den Germanwatch unterstützt, hat das deutsche Gericht inzwischen einen Ortstermin in den Anden angesetzt.

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