Diskussion um Böllerei zum Jahresende: Feinstaubalarm zu Silvester

Das private Feuerwerk zum neuen Jahr steht in der Kritik. Die Deutsche Umwelthilfe hat für Verbotszonen mobilisiert – mit einigem Erfolg.

Vier Leute malen mit Wunderkerzen die Zahl 2020 in die Luft, dahinter die Ostsee

Feinstaubarmes Hallo fürs neue Jahr: Wunderkerzen statt Feuerwerk am Ostseestrand auf Rügen Foto: dpa

BERLIN taz | Die lebhafteste, sektreichste und ungesündeste Nacht des Jahres steht unmittelbar bevor. Rund 4.200 Tonnen Feinstaub knallen die Menschen in Deutschland an Silvester nach Angaben des Umweltbundesamts in die Luft. Das sind 2 Prozent der gesamten Feinstaubmenge, die über das ganze Jahr von Verkehr, Energiewirtschaft und Industrie freigesetzt wird. Auch sonst ist Silvester nicht ungefährlich: Vor einem Jahr musste die Berliner Feuerwehr 444 Brände löschen; 488 Verletzte behandelten allein die Augenkliniken in Deutschland, wie die Zeitschrift Der Ophtalmologe berichtete. Obwohl Zahlen wie diese seit Langem bekannt sind, schien das Ritual des privaten Feuerwerks in Deutschland unangreifbar. Doch die Lobby für Silvester ohne Feuerwerk wächst.

Führend ist dabei die Deutsche Umwelthilfe (DUH). „Es gibt so viele Gründe, die für ein flächendeckendes Verbot privaten Feuerwerks an Silvester sprechen“, sagt Barbara Metz, stellvertretende Geschäftsführerin der DUH: Verletzungen, Brände, panische Tiere und nicht zuletzt die Luftverschmutzung, auf die sich die DUH als Umweltorganisation konzentriert. „Die Luft ist so voller Schadstoffe, dass Asthmatiker*innen oder Familien mit Kleinkindern in Innenstädten nicht auf die Straße können.“

Im Sommer und Herbst beantragte die DUH, in 98 Städten Verbotszonen an Silvester einzurichten. All diese Kommunen überschritten im Jahr 2018 den Grenzwert für Feinstaub von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel. Diesen Wert empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, um die Gesundheitsgefahr zu mindern. Bei der Zündung des Schwarzpulvers entstehen ähnlich wie bei der Verbrennung von Kraftstoffen viele ultrafeine Partikel, die kleiner als 2,5 Mikrometer sind. „Feine Partikel sind besonders schädlich, da sie tief in die Lunge vordringen und sich sogar im Gehirn einlagern“, sagt Metz.

36 Kommunen äußerten sich positiv zum Vorstoß der DUH, 23 von ihnen haben bereits Verbotszonen in ihren Innenstädten beschlossen, weitere 13 wollen im nächsten Jahr nachziehen. Einschränkungen gibt es bereits in Aachen, Köln sowie Stuttgart und seit diesem Jahr auch in Berlin. Unter anderem auf dem Alexanderplatz und am Brandenburger Tor dürfen keine Feuerwerkskörper mehr gezündet werden. Auch wenn das nur kleine Einschränkungen sind, zeigt sich die DUH zufrieden. „Feinstaub aus Böllern und Raketen entwickelt sich lokal und bodennah. Wenn in Innenstädten eine Verbotszone eingerichtet wird, sind das Orte, an denen alle Menschen wieder gemeinsam feiern können“, sagt Metz.

Händler lehnen Verkauf ab

Kritisch sieht die DUH die Brandschutzverordnung, die es Kommunen erschwert, Verbotszonen auszuweisen. Denn entweder muss dort eine besondere Gefahrenlage vorliegen – wie durch Angriffe auf Polizei und Einsatzkräfte in ­Berlin –, oder die Bebauung muss gefährdet sein. Umweltschutz ist bisher kein Grund für ein Böller­verbot. ­Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will diese Einschränkungen streichen, aber erst in zwei Jahren. „Warum es so lange dauert, diesen einen Satz zu ändern, können wir nicht nachvollziehen“, so Metz.

Auch Händler zeigen sich zunehmend verantwortlich. Einzelne Filialen von Rewe und Edeka kündigten an, keine Feuerwerkskörper anzubieten. Ab dem nächsten Jahr will auch die Baumarktkette Hornbach auf den Verkauf verzichten. Die Rückmeldungen der Kun­d*in­nen seien durchweg positiv, äußerte sich ein Sprecher.

Dass der Silvesterbrauch vielen suspekt ist, unterstreicht das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov: 43 Prozent der Befragten befürworten ein komplettes Verbot von Feuerwerk an Silvester. Diese Menschen könnten sich auf Sylt wohlfühlen: Auf der gesamten Insel sind Knaller zum Schutz der Häuser mit Reetdach verboten – und zwar seit 1980.

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