§ 219 a: Was in Karlsruhe möglich ist

Das Bundesverfassungsgericht soll über eine Beschwerde einer Ärztin entscheiden, die wegen des Paragrafen verurteilt wurde

Klare Worte am Internationalen Frauentag: Demon­stran­t*innen fordern die Abschaffung der Paragrafen 218 – des Verbots von Schwangerschaftsabbrüchen – und 219 a, der es Ärzt*innen verbietet, darüber zu informieren, nach welchen Methoden sie Schwanger­schafts­ab­brüche vornehmen Foto: Sebastian Willnow/dpa/picture alliance

Von Christian Rath

Die Verfassungsbeschwerde der Berliner Frauenärztin Bettina Gaber gegen ihre Verurteilung nach Paragraf 219 a Strafgesetzbuch ist kein Selbstläufer. Wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, ist völlig offen. Eine wichtige Vorentscheidung ist, ob der Erste oder Zweite Senat die Prüfung der Klage übernimmt.

Die Gynäkologin Bettina Gaber hatte auf ihrer Webseite mitgeteilt: „Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen.“

Zwar ist es seit März 2019 erlaubt, wenn Ärzte mitteilen, dass sie Abtreibungen durchführen. Sie dürfen aber immer noch nicht darüber informieren, welche Methoden sie anwenden.

Gaber wurde deshalb vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten im Juni 2019 zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro verurteilt. Das Kammergericht Berlin bestätigte die Strafe im November. Dagegen legte Gaber Verfassungsbeschwerde ein.

Drei mögliche Ergebnisse

Das Bundesverfassungsgericht hat drei Möglichkeiten, den Fall zu entscheiden. Erstens kann es den umstrittenen Paragrafen für verfassungswidrig erklären, weil er einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit von Ärzten darstellt. Dann wäre auch das darauf gestützte Straf­urteil verfassungswidrig. Die Klage Gabers hätte also Erfolg.

Oder die Klage wird – zweitens – abgelehnt, wenn das Gericht keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Paragrafen und das Urteil hat.

Dazwischen liegt Möglichkeit drei: Das Gericht legt Paragraf 219 a ­verfassungskonform aus, wobei es auch dabei wieder verschiedene Möglichkeiten gibt. Wenn Karlsruhe dem Kammergericht folgt, ist der Paragraf verfassungskonform, weil Ärzte auf die zulässige Information über Methoden durch andere Stellen nicht nur hinweisen, sondern diese auf der Ärzte-Homepage auch wörtlich zitieren dürfen.

Die Anwälte von Gaber schlagen eine noch weitergehende Auslegung des Paragraphen vor. Danach soll jede sachliche Information über die angebotenen Methoden rechtmäßig sein und nur die reißerische Werbung wäre verboten. Eine solche Auslegung wäre natürlich auch ein Erfolg für Gaber.

Als Vorfrage der Entscheidung steht auch im Raum, ob das Bundesverfassungsgericht an seinem Konzept festhält, dass das „werdende Leben“ zwingend durch strafrechtliche Normen geschützt werden muss. Es gibt bisher keine Anzeichen, dass Karlsruhe von diesem oft als frauenfeindlich kritisierten Ansatz abrücken wird. Es ist also sogar denkbar, dass Karlsruhe zwar einerseits den Paragrafen 219 a für verfassungswidrig erklärt, zugleich aber die grundsätzliche Kriminalisierung von Abtreibungen als zwingend notwendig bestätigt.

Wie Karlsruhe entscheiden wird, dürfte wesentlich davon abhängen, welcher der beiden Senate die Rechtssache übernimmt. Der Erste Senat ist für die Berufsfreiheit zuständig. Er gilt generell als der liberalere Senat und hat schon mehrfach zugunsten von Ärzten entschieden, die Abtreibungen machen.

Der Zweite Senat ist für das Strafrecht zuständig und gilt als eher konservativ. Es war auch der Zweite Senat, der 1975 die Fristenregelung und 1993 die ursprüngliche Beratungslösung kippte.

Beide Zuständigkeiten lassen sich gut begründen. Wenn beide Senate das Verfahren haben wollen und sie sich nicht informell über die Zuständigkeit einigen können, entscheidet der sogenannte Sechser-Ausschuss, dem je drei Verfassungsrichter jedes Senats angehören. Bei einem Patt gibt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts den Ausschlag. Nach Informationen der taz stimmt der Präsident in der Regel für den jeweils eigenen Senat.

Der aktuelle Präsident Andreas Voßkuhle gehört zum Zweiten Senat. Im Mai endet allerdings seine Amtszeit. Der designierte Nachfolger ­Stephan Harbarth, ist Vorsitzender des Ersten Senats. Vermutlich käme es also darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Sechser-­Aus­schuss über die Zuständigkeit für Gabers Klage entscheidet.

Auch nach der Bestimmung des zuständigen Senats ist nicht zwingend mit einer baldigen Entscheidung zu rechnen. Manchmal lassen die Richter Verfassungsbeschwerden jahrelang liegen, weil sie andere Prioritäten haben.

Möglich ist auch, dass Gablers Verfassungsbeschwerde ohne jede Begründung durch eine dreiköpfige Kammer des Gerichts abgelehnt wird. Die meisten der jährlich rund 6.000 Verfassungsbeschwerden werden auf diese Weise erledigt, manchmal auch durchaus brisante Klagen.

Dass sich das Bundesverfassungsgericht grundlegend zu Paragraf 219 a äußert, ist also keineswegs garantiert.