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Wirtschaft warnt vor Einbußen

Spitzenverband der Wirtschaft stellt sich gegen Mietendeckel, will aber gern die Auto-Messe in Berlin

Von Stefan Alberti

Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Spitzenorganisation der regionalen Wirtschaft, haben heftige Kritik an wichtigen Beschlüssen des rot-rot-grünen Senats geäußert und einen Kurswechsel gefordert. „Die Politik muss beim Mietendeckel und beim Vergabegesetz korrigieren“, sagte UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck am Donnerstag in einem Pressegespräch. Zudem drängte er den Senat, sich nicht vom ablehnenden Votum des Grünen-Landesparteitags beeindrucken zu lassen und die Internationale Automobilausstellung (IAA) als Mobilitätsmesse von Frankfurt/Main nach Berlin zu holen.

„Wir erwarten deutliche Einbußen für die Bau- und Wohnungswirtschaft“, sagte Amsinck. Ähnlich hatten sich zuvor schon die Industrie- und Handelskammer und weitere Wirtschafts- und Branchenverbände geäußert. Die Diskussion um den Mietendeckel schadet aus Amsincks Sicht zudem dem allgemeinen wirtschaftlichen Klima. Das Vergabegesetz belaste die Betriebe mit noch mehr Bürokratie. „Es wird dazu führen, dass sich noch weniger Unternehmen an den Ausschreibungen des Landes beteiligen“, sagte der UVB-Chef und erinnerte daran, dass sich schon jetzt bei einzelnen Schulbauten keine interessierten Firmen gefunden hätten. Der im Gesetz vorgesehene neue Mindestlohn von 12,50 Euro für Aufträge des Landes greife für Amsinck zudem in die Tarifautonomie ein.

Bei beiden Themen, Mietendeckel wie Vergabegesetz, hat der Senat bereits einen Gesetzentwurf beschlossen, die Entscheidung liegt nun beim Abgeordnetenhaus. Den Mietendeckel wird das Parlament nach jetzigem Stand mit rot-rot-grüner Mehrheit gegen den Widerstand von CDU, AfD und FDP am 30. Januar beschließen.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) wies die Kritik der Unternehmensverbände zurück: „Es ist schädlich, wenn immer wieder versucht wird, Berlins gute Entwicklung schlechtzureden“, sagte sie, „auch in der Baubranche bleibt die Entwicklung gut.“ Ihrer Senatsverwaltung zufolge liegt der Wirtschaftsverband zudem mit seiner Kritik am Mindestlohn des Vergabegesetzes falsch, weil der niedriger sei als der ab April geltende Mindestlohn im Baugewerbe von 12,55 Euro. Zum Thema Automobilausstellung sah sich Pop auf Frage der taz nicht in der Verantwortung: Das sei eine Angelegenheit der landeseigenen Messegesellschaft, sagte sie, „der Regierende Bürgermeister unterstützt das“. Auf die Nachfrage, ob sie Druck aus ihrer Partei verspüre, den Grünen-Parteitagsbeschluss vom 7. Dezember umzusetzen und sich in der Landesregierung gegen eine Berliner IAA-Bewerbung auszusprechen, sagte Pop: „Das ist kein Thema und keine Angelegenheit für den Senat.“ Beim Grünen-Parteitag hatten sich führende Grüne vergeblich für den Umzug einer stark veränderten IAA nach Berlin ausgesprochen: eine Mehrheit der Delegierten folgte einem Antrag, sich nicht für die Automesse zu bewerben.

Aus Sicht der Unternehmensverbände muss sich in den nächsten 14 Tagen klären, ob Berlin als IAA-Standort in Frage kommt. Konkurrenten sind Hamburg, München, Köln und Stuttgart. Amsinck sah Pop in dem Gespräch in einer Doppelrolle als Grünen-Politikerin und Regierungsmitglied: „man hat den Eindruck, sie ist zwischen Baum und Borke“. Seine Hoffnung in Sachen IAA sei, „dass sie sich in ihrer Rolle als Wirtschaftssenatorin weiter dafür ausspricht“.

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