das portrait: Lynn Rother bringt die Kunstforschung nach vorne
Sie kommt direkt aus New York nach Lüneburg, vom berühmten Museum of Modern Art an die Leuphana Universität. Es sei eine „Liebesheirat“ gewesen, versichert Lynn Rother, und dass sie gerade an diese „progressive kleine Universität“ wollte. Dort nimmt die Kunsthistorikerin nun den ersten Lehrstuhl zu Methoden der Provenienzforschung ein, den es in Deutschland gibt.
Die Provenienzforschung befasst sich mit der Herkunft von Kunstwerken, insbesondere der Klärung der Eigentumsverhältnisse, etwa von Raubkunst aus der NS- oder der Kolonialzeit. Seit Verabschiedung der Washingtoner Erklärung im Jahr 1998 überprüfen die Museen zunehmend ihre Bestände auf NS-Raubkunst.
„Doch die Museen alleine schaffen das nicht“, sagt die 38-Jährige, die nun „Grundlagenforschung“ betreiben und die Geisteswissenschaften durch computergestützte Methoden voranbringen will. Deswegen dreht sich ihr erstes Projekt auch um die Herkunft moderner europäischer Gemälde in Museen in den USA. Die dortigen Museen „nehmen bei der Online-Veröffentlichung von Provenienzinformationen eine Vorreiterrolle ein“, sagt Rother, „aber kein universitäres Forschungsprogramm nutzt die vorliegenden Herkunftsdaten für großangelegte Analysen.“
Schon in ihrer mit „summa cum laude“ und einem Wissenschaftspreis ausgezeichneten Dissertation ging es um Provenienz. Darin erforschte Rother ein Geschäft, bei dem das von den Nazis geführte Land Preußen der Dresdner Bank rund 4.400 Kunstwerke abkaufte – für den seinerzeit immensen Betrag von 7,5 Millionen Reichsmark. Die Werke stammten von Kund*innen der Bank, sie waren als Pfand für Kredite hinterlegt. Die Bank wollte durch den Verkauf flüssig werden. Das Ergebnis der 2017 veröffentlichten Studie: In Berliner Museen befinden sich noch mindestens 1.600 Werke aus diesem Geschäft. Bei vielen ist nicht geklärt, ob sie möglicherweise jüdischen Vorbesitzer*innen geraubt oder abgepresst wurden. In der Folge der Promotion wurden einige Objekte bereits zurückgegeben.
Rother hat nicht nur Kunstgeschichte, sondern auch Betriebswirtschaftslehre und Jura studiert. Heute wirkt das wie eine perfekt organisierte Karriere. Aber so war es nicht: Während ihres 2007 beendeten Studiums war Provenienzforschung noch kein Thema. Jan Zier
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