Ingo Arzt über Tempolimits auf Autobahnen
: Eine Wette mit dem Tod

Sterben in Deutschland Menschen, weil es kein generelles Tempolimit auf Autobahnen gibt? Werden viele unnötig traumatisiert, schwer verletzt, weil schnelles Fahren wichtiger ist als Leben? Alles deutet darauf hin. Aber wissen wollen es die Gegner des Tempolimits lieber nicht so genau.

Wie immer im Weihnachtsnachrichtenloch köchelt gerade wieder eine dieser ewigen Debatten hoch, dieses Mal die um ein generelles Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen. Die SPD will es jetzt doch, obwohl sie erst im Sommer im Bundestag dagegen gestimmt hat. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stänkert dagegen und redet von „Verkehrslenkung durch digitale Systeme“, weil „digital“ immer modern klingt. Und Christian Lindner (FDP) kann wieder mal vor Verboten warnen.

Es ist wahrlich zum Kotzen. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, und bei einer so grundsätzlichen Frage von Leben und Tod scheint es seit Jahrzehnten unmöglich, sich auf gemeinsame Fakten zu einigen. Es ist doch ganz einfach: Man muss nicht nachweisen, dass ein Tempolimit auf Autobahnen Menschenleben retten würde, um es einzuführen. Der Staat hat eine Vorsorgepflicht, fertig. Erwiesen ist, dass langsames Fahren weder Mobilität noch Freiheit einschränkt: Keiner der diversen Nachbarstaaten hat sich nach Einführung eines Tempolimits in eine immobile Diktatur verwandelt.

Es ist andersherum: Wer behauptet, ein Tempolimit würde nichts bringen, der steht in der Beweispflicht. Es gab 383 Tote auf deutschen Autobahnen und 20.000 Verletzte im Jahr 2018. Als gesichert gilt, dass langsameres Fahren in Städten und auf Landstraßen Leben rettet. Warum sollte das auf Autobahnen anders sein?

Der Skandal in Deutschland ist, dass es keine systematische Untersuchung dieser Todesfälle gibt. Setzt doch endlich eine Expert*innenkommission ein! Nach einem Jahr gibt es dann einen großen Bericht, den alle akzeptieren, weil alle beteiligt waren. Und wenn da rauskommt, dass Tempo 130 auch nur einen Menschen im Jahr rettet, dann führe man es endlich ein. Punkt.

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