Europas Wegducken im Syrienkonflikt: Erdoğan-Kritik kommt immer gut

Alle reden von den Flüchtlingen, die nicht kommen sollen, aber niemand redet über eine politische Lösung in Syrien. Das ist wohlfeil.

Konvoi von fliehenden Menschen aus Idlib

Flüchtende in der syrischen Provinz Idlib: Wo sollen sie hin? Foto: AP Photo/Ghaith al-Sayed

Glaubt man den Einlassungen europäischer Politiker und auch vieler westlicher Medien, ist dies eine neue Teufelei des türkischen Präsidenten: Sollte es eine neue Flüchtlingswelle aus Syrien in die Türkei geben, „wird auch Europa davon nicht verschont werden“, hatte Recep Tayyip Erdoğan gesagt. Die Türkei könne diese Last nicht mehr allein schultern. Vor allem Griechenland wäre davon betroffen.

Erdoğan instrumentalisiere Flüchtlinge für seine Politik, er wolle Europa mit dem Elend der syrischen Flüchtlinge unter Druck setzen, heißt es jetzt. Insbesondere in Griechenland glauben viele, Erdoğan wolle Athen im Streit um die Ausbeutung der Gas- und Ölvorkommen rund um Zypern mit der Androhung neuer „Flüchtlingsströme“ erpressen.

Dabei wird unterschlagen, dass das Problem real ist. In der Türkei leben bereits an die vier Millionen Flüchtlinge, in der syrischen Rebellenprovinz Idlib laufen Hunderttausende Menschen um ihr Leben, um dem Bombenhagel russischer Flugzeuge und den Fassbomben des Assad-Regimes zu entgehen. Was soll mit diesen Menschen, die nun alle in Richtung türkischer Grenze drängen, geschehen?

Europa möchte stillschweigend auch noch die letzten Opfer des Syrienkrieges bei Erdoğan abladen – das sei doch die humanitäre Pflicht der Türkei. Alle reden von den Flüchtlingen, die nicht kommen sollen, aber niemand redet über eine politische Lösung in Syrien.

Es braucht eine politische Lösung

Seit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Vorschlag einer europäischen Truppe zum Schutz einer Sicherheitszone in den Sand gesetzt hat, herrscht Schweigen im Walde. Während Syriens Dikator Baschar al-Assad und der russische Präsident Wladimir Putin in Idlib für neue Realitäten sorgen, kommt aus dem Westen nichts mehr. Stattdessen müsste man an einer politischen Lösung arbeiten, und zwar gemeinsam mit Putin und indirekt auch mit Assad.

Erdoğan-Bashing kommt in Deutschland immer gut, doch in diesem Fall ist es wohlfeil und hat mit der Realität nichts zu tun.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.