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Essen mit Geschichte

In vielen Familien gibt es Koch- oder Backrezepte, um die sich Anekdoten ranken. Manchmal sind die Rezepte legendär, manchmal auch die Beteiligten, manchmal beide

Tante Hennys Apfelkuchen: Tante Henny war eine wunderbare Frau: standhaft, herzensgut und bescheiden, mit einer dicken Schmetterlingsbrille, die langen weißen Haare meist zu einem Dutt gewunden. Sie hatte zwei Kriege und die Nazis überstanden. Nachdem sie im Zweiten Weltkrieg ausgebombt worden waren, hatte ihr Mann Paul ein Haus an einem großen Garten gebaut, aus dem sie zeitweilig die ganze Familie versorgten – mit Äpfeln, und Erdbeeren – aber auch Kartoffeln und Honig. Wir Kinder bekamen selbstgemachten Johannisbeersaft und auf den Bunten Teller zu Weihnachten einen (!) prächtigen, orangeroten Holsteiner Cox.

Aber in Tante Hennys Garten wuchsen auch zwei riesenhafte Bäume mit mehreren Zentnern eines Apfels, den wir den „Lagerapfel“ nannten. Roh schmeckte er einigermaßen, säuerlich, meist nicht süß genug und eine Spur miefig. Kühl gelagert blieb er bis Ende Februar fest. Deswegen gab es den ganzen Winter hindurch „Tante Hennys Apfelkuchen“, lange über ihren Tod hinaus. Bei Familienfesten trafen nicht selten mehrere davon zusammen. Natürlich wurde nur hinter vorgehaltener Hand darüber geredet, welcher der beste war.

So geht er: 100 g Zucker und zwei Eier schaumig schlagen, 160 g Mehl und 1/2 Tüte Backpulver unterrühren, einen Schuss Milch unterrühren, Teig soll zäh bleiben. Teig in eine gut gebutterte Springform geben und eng mit auf der Rückseite geschlitzten Vierteln von zwei Kilo sauren Äpfeln belegen (bei Bedarf vorher mit etwas Zitronensaft beträufeln) mit 50 g Zimt und Zucker bestreuen. Bei 175 Grad 50 Minuten backen. JANK

Die Hefe-Tasse: An sich ist Tante Iris kein ordnungsliebender Mensch. Sie preist das kreative Chaos und belächelt die Spießer, die alles sofort in ihrer aufgeräumten Wohnung finden. Das betrifft auch das Kochen und Backen, weshalb sie die allseits beliebten Hefeklöße lieber von ihrer Schwester zubereiten lässt. Trotzdem will Tante Iris natürlich irgendwie die Oberhand behalten, weshalb sie an jenem Sonntag in die Küche schlenderte, um zu prüfen, ob Schwesterchen nicht allerlei Unrat stehen ließ. Wie jene Tasse mit der leicht müffeligen Flüssigkeit. Die gehörte aber so was von weggeschüttet!

Meine Mutter merkte es nicht gleich, während sie Mehl, Zucker, Salz und etwas Milch zu jenem Teig verrührte, in den der Inhalt des Tässchens – die zum Gehen mit Milch verrührte Hefe – integriert werden sollte. Nie werde ich ihren Schrei vergessen, als sie nach der Tasse suchte und ins Leere griff. Nun wurde es nichts mehr mit dem Teig, der – erst als Masse, später in Kloß-Form – noch mehrmals hätte gehen sollen, bis er viermal so groß war. Aus der Traum von den prallen Klößen, die auf einem Tuch über dampfendem Topf zur Reife kämen. Keine Preiselbeer-Soße, keine blauen Münder, die noch Stunden später von unseren Genüssen zeugen würden. Erst haben wir gewütet, dann gelacht und am Schluss Butterbrote mit Käse gegessen. PS

Eimersuppe: Es klingt ganz einfach: Nudelsuppe. Also Nudeln mit Suppe. Also eigentlich nicht mal Suppe, sondern Gemüsebrühe, instant, aus dem Glas. Aber so einfach ist es nicht. Das fängt schon damit an, dass es nirgendwo außer im Bioladen Buchstabennudeln ohne Ei gibt. Farfalle, Tagliatelle, Fettu­ccine – alle gibt es ohne Ei. Warum ist das bei Buchstaben schwieriger und was hat überhaupt Trockenei in Nudeln verloren? In Nudeln gehören allein Wasser, Salz und Hartweizengrieß, sonst nichts.

Weil es kein Reinheitsgebot für Nudeln gibt, fängt die Zubereitung mit körperlicher Arbeit an: Spaghetti brechen. Immer nur ein paar auf einmal, sonst werden die Stückchen zu groß. Dann die Nudeln in den Topf mit kochendem Wasser und viel Gemüsebrühe geben und fünf Minuten kochen.

Jetzt die Enttäuschung: Auch wenn Sie sich streng an diesen Ablauf halten, wird die Suppe nicht so lecker werden, wie wenn meine Mutter sie macht. Ich weiß auch nicht wieso. Aber meine beste Grundschulfreundin nannte das Gericht „Eimersuppe“ – weil es so lecker ist, dass man eimerweise davon essen könnte. KSCH

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