: Deutsch-amerikanischer Showdown auf der Ostsee
Die USA drohen mit Sanktionen gegen alle Firmen, die am Bau der Nord Stream 2 beteiligt sind. Nun könnte die auch in Europa umstrittene Pipeline auf den letzten Metern scheitern
Von Felix Lee
Empörung in Deutschland auf allen Ebenen: Der Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), Rainer Seele, bezeichnet die von den USA angekündigten Sanktionen gegen die Ostseepipeline Nord Stream 2 als „Schlag gegen Europa“.
CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer spricht gar von einem „feindlichen Akt der USA gegen seine Verbündeten“. Clemens Fuest vom Institut für Wirtschaftsforschung hält Gegenmaßnahmen für gerechtfertigt. „Es kann nicht sein, dass in den USA entschieden wird, ob diese Pipeline kommt.“
Das US-Repräsentantenhaus hatte am Mittwoch ein Gesetz zu Nord Stream 2 auf den Weg gebracht. Sämtliche Firmen und Einzelpersonen, die am Bau und Betrieb dieser umstrittenen Gaspipeline durch die Ostsee zwischen Deutschland und Russland beteiligt sind, sollen sanktioniert werden können. Das Gesetz muss noch vom Senat gebilligt werden, anschließend wird es US-Präsident Donald Trump zur Unterzeichnung vorgelegt. Seine Zustimmung gilt als sicher, hat er in den vergangenen Wochen am lautesten gegen das Projekt gewettert. Er wirft Deutschland vor, sich mit den Gaslieferungen abhängig von Russland zu machen. Zugleich macht er keinen Hehl daraus, dass die USA den Europäern selbst mehr amerikanisches Flüssiggas verkaufen wollen, das allerdings deutlich teurer ist als Gas aus russischen Beständen.
Die Pipeline ist allerdings auch innerhalb der EU umstritten. Die osteuropäischen EU-Staaten monieren, die Leitung von Russland nach Deutschland würde die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland verstärken. Dabei wird russisches Gas durch Osteuropa bereits jetzt schon in Richtung Westen geleitet. Der Unterschied: Länder wie die Ukraine und Polen verdienen über Durchleitungsgebühren prächtig daran. Diese würden wegfallen, sollte Deutschland russisches Gas direkt über die Ostseepipeline beziehen.
Nord Stream 2 ist zu etwa 90 Prozent vollendet. In einer Tiefe von bis zu 210 Metern liegen bereits Zehntausende mit Beton ummantelte Rohrstücke auf dem Meeresgrund der Ostsee, jedes einzelne gut 24 Tonnen schwer. Bei Fertigstellung der dann rund 2.000 Kilometer langen Pipeline sollen jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline strömen, genug, um 26 Millionen Haushalte zu versorgen.
Ob und in welchem Tempo die Arbeiten nun weitergehen, ist nun aber unklar. Eigentlich soll die Pipeline im kommenden Jahr in Betrieb gehen. Angeführt wird das Nord-Stream-Konsortium vom russischen Gazprom-Konzern, der die Hälfte der Finanzierung des 9,5-Milliarden-Euro-Projekts aufbringt.
Die angedrohten Sanktionen der USA dürften Gazprom nur wenig kümmern. Zu den Beteiligten gehören allerdings auch die deutschen Unternehmen Uniper und Wintershall. Sie wären sehr viel mehr von den Sanktionen betroffen, ebenso der in der Schweiz ansässige Offshore-Dienstleister Allseas. Das Schweizer Unternehmen ist mit seinem 382 Meter langen und 124 Meter breiten Schiff „Pioneering Spirit“ für den Bau der Pipeline unersetzlich. Die Firmenleitung von Allseas wollte sich am Mittwoch nicht zu ihren weiteren Plänen äußern.
Joachim Pfeiffer, CDU-Wirtschaftspolitiker
Die Bundesregierung wies die drohenden US-Sanktionen am Donnerstag ebenfalls zurück. „Wir nehmen die Abstimmung im US-Repräsentantenhaus mit Bedauern zur Kenntnis“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. „Unsere Haltung zu extraterritorialen Sanktionen ist klar: Wir lehnen diese ab.“
Nur die Grünen scheinen sich nicht ganz einig zu sein. Während Grünen-Bundestagsabgeordneter Jürgen Trittin in der Neuen Osnabrücker Zeitung fordert, die EU solle sich gegen die Einmischung der USA wehren, twitterte Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer: „Ich hoffe, dass die US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 den schicksalshaften antieuropäischen Kurs der Bundesregierung in diesem Konflikt stoppen wird.“
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