Ausgezeichnetes Denkmal: „Das ist Stadtgeschichte“

Nele Wasmuth ließ ein historisches Wandbild in Kreuzberg restaurieren. Dafür bekam sie nun den Berliner Denkmalschutzpreis.

Bürgerliche Idylle: Wandgemälde in der Fichtestraße Foto: Wolfgang Bitnner/Landesdenkmalamt Berlin

taz: Frau Wasmuth, Sie bekommen am Montag stellvertretend für die Gemeinschaft der Eigentümer des Miethauses in der Fichtestraße 2 in Kreuzberg den Berliner Denkmalpreis verliehen. Wofür?

Nele Wasmuth: In unserem Hinterhof befindet sich ein großes Landschaftsbild, das sich über die gesamte Brandmauer des Nachbarhauses erstreckt, auf dem Berge, ein See und mehrere Menschengruppen zu erkennen sind: Menschen an einem Tisch, ein junger Reiter, ein Paar. Es ist nicht hundertprozentig sicher, was dieses Wandbild darstellt, aber es wird vermutet, dass es sich um Szenen aus Mozarts Oper „Don Giovanni“ handelt. Wenn man in den Hof kommt, hat man den Eindruck, man betritt ein Märchen. Die Malerei ist entstanden, als das Haus gebaut wurde, ungefähr im Jahr 1890. Sie war stark verwittert, wurde noch nie überarbeitet. So weit ich weiß, existieren aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert nur noch zehn große Innenhof-Wandbilder dieser Art in Berlin. Viele sind in den letzten Jahren wegen der Wärmedämmungen verschwunden.

Wie sind Sie auf das Bild aufmerksam geworden?

Ich habe 2009 eine Wohnung im Haus gekauft, 2016 bin ich hergezogen. Allerdings hatten die anderen vor meiner Ankunft auch schon viel bewegt. Meine Nachbarn und Miteigentümer waren schon ein wenig erschöpft. Also habe ich gesagt, dass ich jetzt dran bin. Einige haben gesagt, das bekommst du nie hin.

Der undotierte Berliner Denkmalpreis geht seit 1987 an Berliner Menschen und Institutionen, die sich um die Denkmalpflege verdient gemacht haben.

Heute Abend verleiht Kultursenator Klaus Lederer den Preis an die Eigentümer der Fichtestraße 2, an das Silent Green Kulturquartier für die Sanierung und Umnutzung des Krematoriums im Wedding, an die ExRotaprint gGmbH für die Sanierung und Umnutzung der Rotaprint-Fabrik im Wedding und Hans Georg Näder für die Sanierung und Umnutzung der Bötzow-Brauerei. (sm)

Was ist passiert?

Zunächst einmal haben wir Kontakt mit dem Landesdenkmalamt aufgenommen und sofort gemerkt, wie spannend der Schutz der noch erhaltenen Wandgemälde in Berlin plötzlich geworden ist. Der erste Schritt, den wir hätten gehen müssen, wäre allerdings die Erstellung eines Gutachtens gewesen, ob sich eine Restaurierung überhaupt lohnt. Und diese Gutachten kosten auf dem freien Markt knapp 8.000 Euro. Zum Glück hat uns dann York Rieffel vom Landesdenkmalamt zwei Studentinnen der Restauration von der Fachhochschule Potsdam vermittelt. Wir haben das Gerüst bezahlt und die beiden Frauen haben zwei Monate lang Proben genommen und Analysen erstellt.

Und dann ging es los?

Noch nicht ganz. Wir mussten noch den Besitzer des Nachbarhauses verpflichten, über einen längeren Zeitraum keine Wärmedämmungsmaßnahmen durchzuführen, Außerdem mussten wir die Finanzierung klären: Einen großen Teil hat das Landesdenkmalamt bezahlt, einen kleineren Teil wir Eigentümer, aber das reichte noch nicht. Da sprang dann eine Förderung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ein. 2018 war es dann so weit. Die beiden Restauratorinnen konnten loslegen.

Wie gefällt Ihnen heute die Wand?

Sie wurde so restauriert, dass man alles besser erkennen kann, aber es wurde nichts nachgemalt. Am Tag des offenen Denkmals im September hatten wir 120 Besucher in drei Stunden.

Wie gefällt die Wand den anderen Bewohnern der Fichtestraße?

Hier in der Fichtestraße war immer viel politische Aktion, viel Protest. Wir haben von einigen Nachbarn gehört, dass wir es uns hier nur für uns selbst hübsch machen wollen. Ich finde aber, wir haben hier wirklich etwas für die Allgemeinheit erreicht.

Ist es nicht normal, dass Wandbilder auch wieder verschwinden?

Das ist eine Perspektive, der ich auch etwas abgewinnen kann. Einem Teil der Straßenkunst tut es nicht gut, wenn man sie konserviert. Aber dieses Wandbild hat viel mit der Stadtgeschichte zu tun. Es bringt eine bestimmte Lebensauffassung zum Ausdruck, die das Bürgertum Ende des 19. Jahrhunderts hatte. Der Adel hatte Schlösser und Gärten. Hier, im Hinterhof, wollte das Bürgertum wenigstens einen schönen Blick, ein Bild von einem idyllischen Arkadien. Ich finde es nicht schlecht, wenn ein solches Wandbild erhalten bleibt.

Was halten Sie davon, dass manche Immobilienfirmen den Wert großer Wandmalereien für sich entdeckt haben und mit Wandbildern für ihre Wohnungen werben?

Nichts, aber auch gar nichts ist gefeit vor kapitalistischer Verwertung. Sie können machen, was sie wollen. Alles wird irgendwann zur Ware.

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