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heute in bremen„Solidarität scheint altmodisch“

Foto: privat

Ute Gerhard, 80, Soziologin und Juristin. Hatte den ersten Lehrstuhl für Frauen- und Geschlechterforschung an einer deutschen Uni.

Interview David Siegmund-Schultze

taz: Frau Gerhard, welche Fragestellungen haben Sie in der Anfangszeit der Frauen- und Geschlechterforschung interessiert?

Ute Gerhard: Ich habe zunächst Jura studiert, aber gemerkt, dass trotz formaler Gleichstellung der Geschlechter einiges nicht stimmte. Die geschlechtshierarische Arbeitsteilung auf dem Arbeitsmarkt und in der Familie, oder auch die Verweigerung der sexuellen Selbstbestimmung waren offensichtlich. Deshalb war es für mich interessant, zu erforschen, welche Wurzeln diese Strukturen hatten und wie wir diese verändern können.

Wie kam es, dass Sie 1987 den ersten Lehrstuhl für Frauen- und Geschlechterforschung erhielten?

Die Student*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen in Frankfurt hatten 13 Jahre mit Streiks und Demonstrationen dafür gekämpft. Die Uni hatte eine wache Frauenbewegung und eine starke linke Fraktion im Fachbereich Soziologie.

Generationendialog zwischen Ute Gerhard und Rebecca Gefken zur Frauengeschichtsforschung: 18 Uhr, belladonna, Sonnenstr. 8

Haben sich die Themen der Frauenforschung seit damals verändert?

Natürlich, in den feministischen Zielsetzungen hat sich vieles verändert und die jüngeren Feminist*innen grenzen sich bewusst von uns ab. Heute steht Identität viel mehr im Zentrum, was aus meiner Sicht auch ein Produkt unserer Leistungsgesellschaft ist. Ich bin als alt gewordene Feministin etwas angefasst, wenn unsere Unterschiedlichkeit mehr betont wird, als mögliche Gemeinsamkeiten. Solidarität scheint ein altmodisches Ziel geworden zu sein. Gestern hatte ich ein Gespräch mit jungen Feministinnen, die mir gesagt haben: „Unsere Probleme sind nicht mehr dieselben.“ Ich sehe das anders: Die Lohnungleichheit ist geblieben und es gibt zu wenig weibliche Präsenz in den Spitzen von Wirtschaft und Gesellschaft. Ich meine, dass moderne feministische Kampagnen wie MeToo stärker mit der sozialen Frage verknüpft werden müssten.

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