: Ein Fall von Raubkunst
Wenigstens so interessant und bestürzend wie der Raub in Dresden sind die Kommentare dazu
Mit der ausgelobten Belohnung von 500.000 Euro für erfolgversprechende Tipps zum Juwelenraub in Dresden ist zu dem Fall inzwischen wohl fast alles gesagt und auch von fast jedem. Bei letzterem Punkt freilich wird es interessant. „Einen Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen“ erkannte nämlich der sächsische Innenminister Roland Wöller in dem Kunstraub.
Auch der Ministerpräsident sekundierte, nachdem er erfahren hatte, dass Diebe am frühen Morgen durch ein Fenster in das Schloss eingedrungen waren, wo sie zielgerichtet ins Grüne Gewölbe schritten, um dort mit der Axt das Sicherheitsglas einer Vitrine zu zerschlagen und darin befindlichen Juwelengarnituren mitnahmen, auch Michael Kretschmer wusste also, dass nicht einfach nur die Kunstsammlungen bestohlen worden waren, sondern „wir Sachsen!“ Besonders, weil der gestohlene Schmuck, wie er meinte, „von den Menschen in unserem Freistaat über Jahrhunderte hart erarbeitet wurde“.
Dieser identitäre Dreh, den die CDU-Männer glaubten, dem Fall geben zu müssen, kam nicht gut an. Peter Richter in Süddeutschen Zeitung erinnerte sie daran, dass die sächsischen Kurfürsten auch die Könige von Polen waren und die Polen insofern auch „etwas beigetragen“ haben dürften.
Und zur Art des Beitrags konnte ihnen Arno Widmann von der Berliner Zeitung Wissenwertes übermitteln. Die Sachsen hätten sicher weniger hart an den Gegenständen gearbeitet, als dass sie dafür geschröpft wurden. Im Grünen Gewölbe zeigte der Herrscher, was er sich alles leisten konnte. „Es ist ein Dokument rundum geglückter – wir verwenden das alte Wort – Ausbeutung. Deren Opfer zu sein, gehört ganz sicher zur sächsischen Identität. Wie zu der der meisten Völker der Erde.“
Und da wären wir bei einem interessanten Aspekt, den Rüdiger Schaper im Tagesspiegel eruiert. Was die Monarchen dem Volk an Geld, Zeit und Gesundheit raubten, meint er, wäre nun zu Kunst geworden, auf die man heute mit Recht stolz ist. Unersetzlich seien die Stücke, weil sie „kollektive Erinnerungen“ bergen. Und da dann kommt auch sein rasanter Dreh, wenn er fragt: „Wie aber, und das könnte eine Lehre aus dem Dresdner Drama sein, empfinden Menschen in ehemaligen deutschen oder französischen Kolonien, deren kulturelles Erbe großräumig gestohlen und in ferne Länder verbracht wurde?“
Den Diebstahl selbst bezeichnete der ehemalige Einbrecher Peter Zingler im FAZ-Interview als gekonnt und bewundernswert in der Ausführung. Die Diebe könnten, weil sie es auf bestimmte Stücke abgesehen hatten, einen Auftraggeber haben. Freilich hätten sie, wie er es sieht, die Stücke geklaut, die am besten zu zerteilen sind, was dafür spricht. dass sie die Steine verkaufen möchten. Niklas Maak, ebenfalls in der FAZ vermutet, dass der Schmuck als Pfand im Rauschgiftgeschäft dienen oder gegen ein Lösegeld zurückgegeben werden soll. Wie die Museen und ihre Schätze besser geschützt werden können, dazu fehlen allerdings bislang relevante Aussagen. Brigitte Werneburg
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