Mindestlohn steigt um über ein Drittel

Senat befürworte Anstieg von 9,01 auf 12,50 Euro für Landesbedienstete und Auftragnehmer

Alles sauber: Auch Facility Manager sollen vom Mindestlohn profitieren Foto: Patrick Pleul/picture alliance

Von Stefan Alberti

Ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde? Was die neuen SPD-Bundeschefs erst noch mit der CDU nachverhandeln wollen, damit es mit der Groko weitergeht, ist in Berlin seit Dienstag teilweise auf dem Weg. Der rot-rot-grüne Senat hat dazu zwei Gesetze auf den Weg gebracht, über die das Abgeordnetenhaus einen Mindestlohn von 12,50 Euro beschließen könnte. Die SPD-Verhandlungen braucht es trotzdem: Das Berliner Gesetz betrifft nur Beschäftigte des Landes und Firmen, die Aufträge vom Senat haben wollen.

Der zuletzt Mitte 2017 von 8,50 auf 9,01 Euro angehobene Mindestlohn steigt bei Zustimmung des Parlaments damit um über ein Drittel. Bundesweit gilt seit Beginn dieses Jahres für alle Unternehmen – nicht nur Auftragnehmer von Behörden – ein Mindestlohn von 9,19, der ab Januar auf 9,35 Euro steigt.

Der Festlegung des Senats vom Dienstag gingen ein über eineinhalbjährige Diskussionen zwischen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei) voraus. Pop sprach noch im Mai 2018 von 10,20 Euro, was der untersten Stufe im Tarifvertrag entspreche. Die Sozialverwaltung hingegen forderte 12,63 Euro.

Komplizierter wurde die Debatte, weil die Linksfraktion die Forderung ihrer Parteifreunde in der Sozialverwaltung nicht teilte und einen Betrag zwischen 10,50 und 11,30 Euro für richtig hielt. Dass es nun bei 12,50 Euro und damit nahe bei der Breitenbach-Position mündete, führte Grünen-Senatorin Pop auf entsprechende Erhöhungen auch im Tarifvertrag für die Beschäftigten des Landes zurück.

Festgeschrieben ist das im Landesmindestlohngesetz. Von größerer Bedeutung ist aber, dass es auch in der Neufassung des Vergabegesetzes eine Rolle spielt. Für die Beschäftigten des Landes und seiner Betriebe hat der Mindestlohn nämlich nach Einschätzung von Senatorin Breitenbach kaum Bedeutung, weil dort keiner weniger als 12,50 pro Stunde verdiene, ausgenommen den geförderten öffentlichen Beschäftigungssektor.

Anders ist die Lage bei privaten Arbeitgebern, die nicht an Tarife gebunden und lediglich dem bundesweiten Mindestlohn von aktuell 9,19 Euro unterworfen sind: Sie müssen 12,50 zahlen, wenn sie einen Auftrag vom Land haben wollen für ein Produkt oder eine Dienstleistung, etwa für Putz- und Reinigungsarbeiten. Diese Vorgabe gilt aber nur für den konkreten Auftrag für das Land – wenn dieselben Reinigungskräfte am nächsten Tag für einen privaten Auftraggeber putzen, muss ihr Arbeitgeber ihnen nur den bundesweit gültigen Mindestlohn zahlen.

Wirtschaftsvertreter ­hatten das kritisiert und mit Blick auf die Hauptstadtregion darauf hingewiesen, dass es hier drei Vorgaben gibt: das Bundesgesetz und die Landesmindestlöhne in Berlin und Brandenburg. Dort hat die neue rot-schwarz-grüne Landesregierung einen Betrag von 13 Euro in den Koalitionsvertrag geschrieben. Auf die Frage, warum man sich nicht abgestimmt habe, sagte Sozialsenatorin Breitenbach, dass die Anhebung in Brandenburg „nicht heute und nicht morgen passieren wird“, das Gesetz aber jetzt in Kraft treten solle.

Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg als führender Dachverband der Region äußerten sich nach der Senatssitzung kritisch zum Vergabe-Mindestlohn: In vielen Branchen werde sich die Arbeit von An- und Ungelernten deutlich verteuern, sagte ihr Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck. „Wir erwarten, dass die Politik die Wirkungen des Gesetzes genau überprüft“, sagte er, „es geht immerhin um ein Auftragsvolumen von 5 Milliarden Euro“.