Gewalttätiges Grundbrummen

Auf ihrer jährlichen Konferenz beraten die Nord-Innenminister über Strategien gegen Rechtsextremismus

Von Friederike Gräff

Zum konkreten Lagebild, das ihnen die Verfassungsschutzbehörden zum Thema Rechtsextremismus vorgelegt haben, wollten die Innenminister der norddeutschen Länder am Montag auf ihrer gemeinsamen Konferenz in Hamburg nichts sagen. Aber eines sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) in aller Deutlichkeit, und da stimmten ihm die Kollegen zu: Neu ist nicht die Quantität der rechtsextremen Straftaten oder die Zahl der Rechtsextremisten, „neu ist die Schwere der Straftaten“. Das sei zugleich „nichts ganz Überraschendes“. „Es gibt eine extrem verstärkte Gewaltbereitschaft“, ergänzte sein Kollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU).

Einig war man sich auch, dass es angesichts der grundsätzlich verfassungsfeindlichen Haltung der Rechtsextremen, die der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) als „Grundbrummen“ bezeichnete, eine wesentliche Aufgabe der Innenminister sei, „genau hinzuschauen“. Das will man künftig vor allem im Internet, wo man „noch nicht tief genug eingestiegen“ sei, wie Grote ergänzte. In Hamburg gibt es bereits fünf Mitarbeiter, die dazu abgestellt sind, in Schleswig-Holstein sind es zwölf.

Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes lösen sich alte Strukturen wie rechtsextreme Kameradschaften zunehmend auf und arbeiten stattdessen als lose Netzwerke, die aber weiterhin ihre regionalen Bezüge behalten. Es gebe Schwankungen zwischen virtueller Aktivität und Präsenz im realen Raum, etwa bei Konzerten oder in Kampfsportgruppen, sagte Andy Grote.

Erst mal nur Austausch

Der Präsident des Hamburgischen Verfassungsschutzes, Torsten Voss, sprach von einer „Entgrenzung“: Gruppen wie die Identitäre Bewegung instrumentalisierten Themen wie die Angst vor Flüchtlingen, um die Gesamtbevölkerung zu infiltrieren. Gerade deshalb sei es wichtig, frühzeitig vor Strategien wie etwa bei den Hamburger „Merkel muss weg“-Demonstrationen zu warnen.

Eines der Schlüsselwörter war Prävention, wobei die auf der Konferenz gefassten Beschlüsse erst einmal recht allgemein davon sprechen, den Austausch jenseits von konkreten Anlässen zu systematisieren, das Lagebild „inhaltlich weiterzuentwickeln“ und um „Kriterien wie antisemitische Aktivitäten zu erweitern“. Konkreter wurde es beim Waffenrecht: Da war man sich einig, dass es, wie von der Koalition bereits angedacht, dringend eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz geben soll, bevor eine Erlaubnis erteilt wird. Zudem soll es verpflichtend eine Nachberichtspflicht geben, falls es neue Erkenntnisse zu Erlaubnisinhabern gibt. Die Regelabfrage, räumte Lorenz Caffier ein, schließe nicht aus, dass Waffen in die Hände von Extremisten gelangen.

Viele der Themen werden bei der Bundesinnenministerkonferenz Anfang Dezember wieder auf dem Tisch liegen, so etwa auch die Frage, wie man mit Hasskriminalität im Netz umgeht und konkret etwa mit der Rolle der Provider bei der Identifizierung der Urheber.