piwik no script img

Die Juwelen sind weg

Unbekannte stehlen die Schätze August des Starken aus dem Grünen Gewölbe in Dresden

Spurensicherung vor dem Grünen Gewölbe am Tag nach dem Einbruch Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Aus Dresden Michael Bartsch

In der meistbesuchten Touristenzone Dresdens am Theaterplatz stehen Besucher ratlos an den Absperrungen. Am Dresdner Residenzschloss, wo im Sockelgeschoss das weltberühmte Grüne Gewölbe untergebracht ist, kommt niemand durch. Zwei Witzbolde intonieren die jazzige Titelmelodie der in der DDR besonders beliebten dänischen Krimikomödienserie „Die Olsenbande“. „Das war nicht bloß ein harmloser Coup von Egon Olsen“, raunt aber der Sprecher des Wissenschafts- und Kunstministeriums Andreas Friedrich. Vor allem, weil aus Sicht der Räuber nichts schiefging, könnte man hinzufügen.

Eine Minute vor fünf Uhr am Montagmorgen bemerkte der Sicherheitsdienst der Staatlichen Kunstsammlungen auf den Bildschirmen der Überwachungskameras zwei Einbrecher im Juwelenzimmer. Es gehört zum historischen Teil der Schatzkammer der Wettiner Fürsten, die neun Jahrhunderte Sachsen regierten. Wie später festgestellt wurde, hatten die Einbrecher vom Theaterplatz aus ein Fenstergitter durchtrennt und eine Scheibe mit Sicherheitsglas eingeschlagen. Eingeschlagen wurde auch eine Vitrine, aus der drei von zehn Juwelengarnituren entwendet wurden. Die Täter handelten offenbar ausgesprochen schnell und konnten entkommen. Ob draußen auf der Straße Komplizen halfen, ist offen.

Die besonders von Kurfürst August dem Starken beförderte legendäre Sammlung von Kleinodien und Kostbarkeiten ist bereits seit 1724 öffentlich zugänglich. Der Wachdienst, rund um die Uhr mit mehreren Kräften besetzt, informierte gegen fünf Uhr sofort die Polizei. Fünf Minuten später traf die erste Funkstreife ein. Zum Schutz ihres eigenen Lebens greifen Wachleute in Museen nicht selbst ein, sondern überlassen dies der Polizei. Insgesamt 16 Streifenwagen seien sofort mobilisiert worden, teilte der Dresdner Polizeipräsident Jörg Kubiessa mit. Angrenzende Polizeidirektionen in Sachsen und Brandenburg wurden informiert.

Einen Fahndungserfolg konnten sie am Montagnachmittag noch nicht vermelden. Entdeckt wurden in etwa fünf Kilometer Entfernung vom Tatort an der Kötzschenbroder Straße nach Radebeul aber die Reste eines offensichtlich in Brand gesetzten Autos. Es wird vermutet, dass es als erstes Fluchtauto gedient haben könnte. Offen blieb am Montag auch, in welchem Zusammenhang der Brand eines Elektroverteilers am Theaterplatz mit dem Raub steht. Dort befindet sich die Sanierungsbaustelle der Augustusbrücke über die Elbe. Infolge des Brandes fiel in der Umgebung die Stromversorgung und damit die Straßenbeleuchtung aus. Die Alarmanlage der Kunstsammlungen allerdings blieb intakt. Eine zehnköpfige Sonderkommission ermittelt.

„Ein Anschlag auf die kulturelle Identität Sachsens“

Michael Kretzschmer, Ministerpräsident

Kunstsammlungen-Generaldirektorin Marion Ackermann zeigte sich „schockiert von der Brutalität des Raubes“. Der Wert der Diamanten, Smaragde und weiterer Edelsteine sei im doppelten Sinn „unschätzbar“. Materiell sei er womöglich gar nicht so hoch einzustufen und tatsächlich nie beziffert worden, weil diese Geschmeide als unverkäuflich gelten. Der kunsthistorische und ideelle Wert sei höher einzustufen, weil es sich um vollständig überlieferte Ensembles handelte. Der Ehrgeiz August des Starken, mit den führenden europäischen Fürstenhäusern mitzuhalten, führte zu dieser Prunksammlung.

„Ich hoffe, dass die Juwelen aufgrund ihrer internationalen Bekanntheit in Fachkreisen dem Markt entzogen sind“, äußerte Direktorin Ackermann die leise Hoffnung auf ein Wiederauffinden der Juwelen. „Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen“, kommentierte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bereits am Morgen den dreisten Raub. „Das ist ein Anschlag auf die kulturelle Identität Sachsens!“ Dirk Syndram, Direktor des Grünen Gewölbes und der Rüstkammer in den Staatlichen Kunstsammlungen, sprach von „einer Art Weltkulturerbe“, das hier entwendet worden sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen