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Sprungbrett und Trüffelschwein

Mit hochkarätigen Gästen präsentiert das Festival „Around The World in 14 Films“ ausgewählte Filme aus aller Welt, die bei uns noch nicht im Kino liefen

Erstmalig in Berlin im Kino: Nina Hoss als Anna Bronsky in „Das Vorspiel“ Foto: Judith Kaufmann, Port au Prince Pictures

Von Andreas Hartmann

Filme aus aller Welt, die bereits bei diversen Filmfestivals zu sehen waren, in Berlin aber noch nicht, auf die große Leinwand zu holen, das ist die Grundidee von Around The World in 14 Films, das nun zum 14ten Mal in der Kulturbrauerei über die Bühne geht. Über die Jahre ist das Festival freilich gewaltig gewachsen. In seiner aktuellen Ausgabe reist man nicht mehr nur in 14 Filmen um die Welt, sondern in exakt doppelt so vielen.

Und es ist auch keine reine Auslese mehr von Festival-Schlagern, die wahrscheinlich nie einen regulären Starttermin in Deutschland bekommen werden, sondern man zeigt auch so einige Hochkaräter. So wird „Ein verborgenes Leben“, der neue Film von Terrence Malick, seine Deutschlandpremiere in der Kulturbrauerei haben und auch „Das Vorspiel“, der vor allem auf dem Filmfestival in San Sebastián gefeierte Film von Ina Weisse mit Nina Hoss in der Hauptrolle wird erstmalig in Berlin zu sehen sein. Regulär kommen solche Filme dann bald auch noch in die Kinos. Die einzelnen Filme werden nicht nur gezeigt, sondern formvollendet präsentiert, wozu allerlei Gäste geladen sein werden.

Nina Hoss etwa wird selbst bei der Präsentation ihres Films anwesend sein oder auch August Diehl, der eine Hauptrolle bei Terrence Malick übernommen hat. Außerdem wird zu diversen Werkstattgesprächen mit diversen Filmemachern geladen.

Bei all dieser Opulenz versteht sich das Around-The-World-Festival aber immer noch auch als Sprungbrett und Trüffelschwein für die etwas abseitigeren Streifen. Filme aus Ländern wie Peru, Afghanistan, dem Sudan oder Albanien gehören selbstverständlich mit dazu. Und aus diesen schafft es naturgemäß tatsächlich selten ein Werk, die gesteigerte Aufmerksamkeit von Verleihern zu erregen. Außerdem wird jedem Streifen ein Filmpate zugeordnet, jemand, der vor Publikum erklärt, warum dieser oder jene vielleicht etwas kleinere Film nicht nur über die Festivals von Cannes bis Toronto tingeln, sondern sich auch ein Vertrieb in Deutschland für ihn erwärmen sollte. Somit ist das Around-The-World Branchentreff und Publikumsevent gleichzeitig, mit ein wenig Glamour noch obendrauf.

Warum es nicht jeder der gezeigten Filme leicht hat auf einem Markt, in dem sich Woche für Woche Starttermin an Starttermin mit neuem Kinostoff reiht, wird dann aber auch deutlich, wenn man etwa „The Wild Goose Lake“ von Yinan Diao aus China sieht, einen stylishen Noir-Thriller mit wilden Verfolgungsjagden und ausreichend Gewaltszenen, dem aber ein wenig ein verstehbarer Plot fehlt. Man fühlt sich etwas alleingelassen mit dem Antihelden des Films in seinem Kampf gegen einen Clan und die Polizei gleichzeitig. Der tolle Look und eine Ästhetik, wie man sie aus klassischen Hongkong-Filmen kennt, bleibt am Ende übrig von dem Streifen, von der ganzen Geschichte kapiert hat man nur wenig. Immerhin erfährt man, dass sie in China gerade schwer auf alte Gassenhauer von Boney M abgehen, zumindest legen das ein paar skurrile Tanzeinlagen nahe.

Sicherlich auch nicht gerade für die großen Multiplex-Häuser gedreht wurde „Deerskin“ von Quentin Dupieux, der bereits in Cannes zu sehen war. Dupieux ist eigentlich DJ und wurde einst bekannt als Mr. Ozio mit seinem Hit „Flat Beat“. Für dessen Video kreierte Dupieux die zottelige, gelbe Handpuppe Flat Eric, um danach krude Filme wie etwa „Rubber“ über einen Autoreifen zu drehen, der außer Rand und Band zur Killermaschine mutiert.

In „Deerskin“ zeigt Dupieux einmal mehr, dass er ein Händchen für schräge Skurrilitäten hat. Ein gewisser Georges kauft sich hier für teures Geld eine Hirschlederjacke. Ein hässliches Fransending, aber für seinen Besitzer der ganze Stolz. Bald entwickelt Georges ein ungesund intimes Verhältnis zu seinem Besitz. Die Jacke gibt ihm kund, sie dulde keine anderen Jacken neben sich. Also macht sich Georges daran, andere Jacken einzusammeln und deren Besitzer um die Ecke zu bringen. Irgendwie hat es Dupieux geschafft, die wie immer sensationelle Schauspielerin Adèle Haenel auch noch in einer tragenden Nebenrolle als Cutterin von Georges filmischen Meisterwerken unterzubringen.

Man schaut sich das alles an und fragt sich, was das bitteschön sein soll außer ein riesengroßer, beknackter Spaß. Wahrscheinlich lautet die Antwort: genau das. Ein paar hübsche Splatterszenen – die Hirschlederjacke liebt es auf die grobe Tour – gibt es für Liebhaber obendrauf. „Deerskin“ ist eigentlich ein klassischer Videothekenfilm. Aber Videotheken gibt es bekanntlich kaum noch, und wo er schon mal im Kino zu sehen sein wird, kann man die Chance ruhig auch nutzen.

Das Festival Around the World in 14 Films Festival läuft vom 21. bis 30. 11. im Kino in der Kulturbrauerei, Schönhauser Allee 36, Programm unter: 14films.de

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