Bovis Gebot: Du sollst bauen

Das Vorkaufsrecht allein bringt der Stadt nichts,wenn Investoren ihre Grundstücke brach liegen lässt. Der Bürgermeister will deshalb Eigentümer notfalls zum Bauen zwingen

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VonLotta Drügemöller

2.762 Baulücken kennt das Bremer Baulückenkataster – Flächen, die leerstehen oder unternutzt sind, in Blumenthal und Osterholz, im Viertel und in der Neustadt. Bremens Wohnungsmangel soll eigentlich hier beseitigt werden – die Koalition will vor allem über Nachverdichtung Wohnraum schaffen. Doch die meisten Areale gehören privaten Eigentümern. Wenn die nicht bauen wollen und ihre Grundstücke etwa aus Spekulationsgründen brach liegen lassen, hat die Stadt keinen Zugriff.

Bürgermeister Andreas Bovenschulte würde das gerne ändern – und hat jetzt auf Facebook das Baugebot in die Diskussion gebracht. „Die Regierungskoalition wird einer Nicht- oder Unternutzung städtebaulich wichtiger Grundstücke künftig einen Riegel vorschieben“, so Bovenschulte. Mittels des Bundesgesetzes sollen Eigentümer dazu verpflichtet werden können, ein Grundstück innerhalb einer gesetzten Frist so zu bebauen, wie es der Bebauungsplan vorsieht.

Ganz neu ist das nicht. Schon in den Koalitionsverhandlungen habe man solche Mittel beschlossen, schreibt der Bürgermeister. Der Vertrag allerdings bleibt vage: Man werde „von den rechtlichen Möglichkeiten des BauGB, des Wohnungsaufsichts- und des Wohnraumschutzgesetzes Gebrauch machen“, heißt es da nur. „Hierzu wird das zuständige Ressort mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet.“ Bovenschulte wird nun konkreter.

In Bremen gibt es diverse große Grundstücke, die die Stadt gerne bebaut sehen würde – das Güldenhausquartier in der Neustadt etwa, in dem seit Jahren nichts passiert ist. Doch aktueller Anlass dürfte der Verkauf des Coca-Cola-Areals in Hemelingen sein. Der neue Investor „Wohninvest“ hat das Grundstück vor einer Woche gekauft. Für die Zukunft hat sich die Stadt zwar ein Vorkaufsrecht gesichert; zudem will man eine Veränderungssperre erlassen, bis der Bebauungsplan vorschreibt, was dort stattfinden darf. Doch sicherstellen, dass das Areal nicht auf Jahre brach liegt, kann man so nicht. Das Baugebot könnte ins Spiel kommen, „wenn ein Investor wie Wohninvest auf dem Coca-Cola-Gelände einen neuen B-Plan der Stadt nicht umsetzen will“, so Ralf Schumann, baupolitischer Sprecher der Linken.

„Wenn nicht am Ende gegen Grundstückspekulanten eine Enteignung durchgesetzt werden kann, taugt das Instrument nicht“.“

Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler

Die Idee liegt im Trend: Im Frühjahr hatte Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer Privateigentümern mit Baugebot und Enteignung gedroht, falls sie ihre Grundstücke brach liegen ließen. Einige Politiker griffen das Thema auf: Olaf Scholz etwa sprach sich im April dafür aus, in Bremen stimmte Björn Tschöpe ein. Und die Bundes-Grünen stimmen auf ihrem aktuellen Parteitag über ein schärferes Baugebot ab – ein Vorschlag, den im Sommer schon die Baulandkommission des Bundes gemacht hat.

Eine Verschärfung des Gesetzes ist nach Ansicht vieler Experten auch nötig. Laut Städte- und Gemeindebund ist das heutige Baugebot „ein stumpfes Schwert“: Solange der Eigentümer nachweisen kann, dass die Bebauung ihm finanziell nicht zuzumuten ist, kann er Einspruch einlegen. Und wer sich trotz Gerichtsentscheid nicht ans Baugebot hält, kann zwar enteignet werden – jedoch nur nach einem zeitintensiven Verwaltungsverfahren. „Wenn nicht am Ende eines Verfahrens gegen Grundstückspekulanten eine Enteignung durchgesetzt werden kann, taugt das Instrument nicht“, meint der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel.

Bovenschulte will zunächst im Einzelfall prüfen, wann das Baugebot „zulässig und im Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlich ist“. Viel Widerstand bekommt er bisher nicht: „Bei der Neuausweisung von Baugebieten kann ein Baugebot ein sinnvolles Mittel sein“, schreibt etwa Thore Schäck als baupolitischer Sprecher der FDP. Selbst der Eigentümerverband „Haus und Grund Bremen“ verwehrt sich nicht grundsätzlich: „Wo es darum geht, Spekulanten in ihren Möglichkeiten zu begrenzen, da könnte das ein Mittel sein“, meint Geschäftsführer Ingmar Vergau.