: Eine Geschichte von doppeltem Unrecht
Wie das Überseemuseum einen jüdischen Sammler nötigte, einen Zeremonialstab zu verkaufen, den er bereits geschenkt hatte
Von Benno Schirrmeister
Wie ein Zepter, silbrig, mit perfektem Flechtmuster und doppelgesichtigen Figurinen: Dieses Objekt liegt in einer Vitrine der Spurensuche-Abteilung des Bremer Überseemuseums. Es handelt sich um einen Zeremonialstab der Edo, geschmiedet in Messing und gebräuchlich am königlichen Hofe von Benin-Stadt.
Benin-Stadt ist eine Legende. Zwar, den Ort gibt es noch in Nigeria, 70 Kilometer landeinwärts vom Golf von Guinea, aber die antiken Stätten, der Palast des Oba, die im Laufe von 700 Jahren errichtete Verteidigungsanlage – sie war größer als die chinesische Mauer – all das ist verschwunden seit 1897: Am 18. Februar jenes Jahres griffen britische Truppen die Hauptstadt des damaligen Königreichs Benin an und vernichteten, was sie nicht plündern konnten.
Die ganze westliche Welt kaufte danach Benin-Bronzen beim Hamburger Kunsthändler Heinrich Bey & Co in der Großen Bäckerstraße 24. Der bekam sie in seiner Filiale in Lagos nämlich direkt von den Räubern im Dienste ihrer Majestät verscheuert. Bronzen, Masken und rituelle Objekte gelangten so in zahllose Sammlungen, vermutlich auch der Bremer Stab. Seit 1914 hat noch jeder Oba, also jeder König von Benin, die Rückgabe gefordert. Mittlerweile scheint (unter Hamburger Mithilfe) im Benin-Dialog ein Anfang gemacht, Recht herzustellen. Ein Museum soll in Nigeria entstehen für die Schätze.
Der Bremer Stab war eine Schenkung gewesen: Der Antiquitätenhändler Erich Freuthal, der in der Neustadt ein Geschäft betrieb, hatte ihn erworben – wie, das hat auch die Provenienzforscherin Bettina von Briskorn nicht rekonstruieren können. Die Geschäftsbücher Freuthals existieren nicht mehr, im Sommer 1939 war es ihm, nach KZ-Haft in Sachsenhausen, schließlich gelungen, der Vernichtung zu entgehen. Er floh nach Brasilien.
Der Wert des Objekts war bekannt. Dass Freuthal dem Museum den Stab 1918 geschenkt hatte, fand man 1935 allerdings peinlich. Denn Bedingung der Schenkung war, den vollen Namen des Stifters zu nennen – so, wie es stets geschah. Und Freuthal war Jude. Ein Museumsbesucher nahm Anstoß und informierte die Kreispropagandaleitung. Die wandte sich an den Senat, der wiederum beim Museumsdirektor, einem gewissen Carl Roewer, vorstellig wurde. Der nötigte Freuthal, seine Geschenke zu verkaufen. „In dieser Weise“, schreibt von Briskorn im Begleitband der Spurensuche-Ausstellung, „entledigte man sich der Verpflichtung auf Namensnennung“.
Zeremonialstäbe dienten im Königreich Benin dazu, sich als Würdenträger auszuweisen, als Abgesandter des Oba. Im Fall einer Rückgabe wird das Museum eine Möglichkeit finden müssen, den Namen des Schenkers zu ehren – auch ohne Objekt.
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