Wolfgang Tiefensee über CDU und AfD: „Das wäre ein Dammbruch“

In Thüringen fehlt weiter ein politischer Fahrplan. Der SPD-Politiker Wolfgang Tiefensee glaubt dennoch, dass die CDU Distanz zur AfD wahren wird.

Portrait von Wolfgang Tiefensee, SPD-Vorsitzender in Thüringen

Wolfgang Tiefensee im September 2019, am Rande einer Parteiveranstaltung Foto: dpa/Sebastian Wilnow

taz: Herr Tiefensee, in Thüringen bleibt es spannend: Sie werben für Rot-Rot-Grün, Innenminister Georg Maier sieht nun Linke, CDU und FDP in der Pflicht. Gibt es die ersten Risse im Dreierbündnis?

Wolfgang Tiefensee: Nein. Ich verstehe die Überschrift in der Tickermeldung nicht. Dass der Ball jetzt bei CDU und FDP liegt, ist eine Sachstandsbeschreibung. SPD und Grünen sind jetzt nicht dran zu verhandeln. Die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow hat in Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten Einladungen an CDU und FDP geschickt. Dort liegt der Ball. Ich bin gespannt, ob die CDU die Einladung überhaupt annimmt und was bei dem Gespräch, wenn es stattfindet, herauskommt. Mit der FDP finden die Gespräche statt.

Jetzt doch? Die FDP hat doch jegliche Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen.

Die FDP hat nicht Gespräche ausgeschlossen. Sie hat bisher eine Zusammenarbeit ausgeschlossen.

Aber es wird doch schwierig, eine Minderheitsregierung zu bilden, nachdem sowohl CDU als auch FDP ausgeschlossen haben, mit der Linken zusammenzuarbeiten?

Wir haben uns auf einen schwierigen und vermutlich langen Weg begeben, um vor dem Hintergrund dieses Wahlergebnisses dafür zu sorgen, dass eine handlungsfähige und stabile Regierung für die nächsten fünf Jahre gewählt wird. Eine Regierung, die die Herausforderungen, vor denen Thüringen steht, annimmt und bewältigt. Das ist unser Ziel. Wir drehen uns momentan sehr stark um die Frage, wer redet mit wem und wer könnte sich eine Zusammenarbeit vorstellen. Am Ende ist es im Interesse der fünf Parteien, außerhalb der AfD, dass wir das Land voranbringen. Dazu muss eine Lösung her.

Auch Mike Mohring hat angekündigt, mit der SPD und den Grünen sprechen zu wollen. Haben Sie schon eine Einladung erhalten?

Nein, es gibt keine Einladung.

64, ist seit 2014 thüringischer Wirtschafts- und Wissenschaftsminister unter Ministerpräsident Bodo Ramelow. Zuvor war er unter anderem Bürgermeister Leipzigs und von 2005 bis 2009 Bundesverkehrsminister.

Was müsste er der SPD anbieten, damit die Partei in eine Minderheitsregierung unter seiner Führung eintritt?

Eine Minderheitsregierung unter der Führung von Mike Mohring ist für mich keine Option.

AfD-Chef Björn Höcke hat Mike Mohring per Brief angeboten, eine gemeinsam getragene Minderheitsregierung oder auch eine Expertenregierung zu tolerieren. Wie sicher sind Sie, dass Herr Mohring das Angebot ablehnt?

Ich habe mit Mike Mohring über diese Thema vor der Wahl oft und ausführlich gesprochen. Er hat mir glaubhaft versichert, dass für ihn eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommt. Auch dann nicht, wenn Björn Höcke nicht aktiv dabei wäre. Darauf vertraue ich.

Aber es gibt auch Stimmen in der CDU, die das nicht ausschließen. Wie sicher kann man sein, dass die CDU jetzt nicht nach rechts ausweicht?

Wir haben gelesen, dass es Stimmen innerhalb der CDU bis hinein in den Landtag gibt, die Gespräche mit der AfD für ratsam halten. Ich nehme aber auch die Stimmen in der CDU bis in die jüdische Gemeinde zur Kenntnis, die vehement dagegen protestieren. Ich gehe davon aus, dass es keine Gespräche und noch weniger eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD gibt. Das wäre ein Dammbruch.

Das heißt, die Option einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung bleibt die wahrscheinlichste?

Richtig.

Oder gibt es noch andere Varianten?

Nein.

Nun noch zur SPD im Bund. Die Halbzeitbilanz der Regierung fiel positiv aus. Sehen Sie das in Thüringen auch so?

Ja. Wir können stolz sein auf das, was in dieser schwierigen Konstellation in den letzten Monaten geschafft wurde. Nicht zuletzt deshalb, weil sich das ganz konkret im Geldbeutel und im Alltag der Menschen auswirken wird.

Das heißt, auf dem Parteitag im Dezember werden Sie für einen Verbleib in der Groko stimmen?

Ich bin dafür, dass wir, wenn es möglich ist, weiter gestalten. Aber genau das wird die Frage der nächsten Tage sein. Stichwort Grundrente: Ist die Große Koalition in der Lage, Projekte über den Koalitionsvertrag hinaus in Gang zu setzen und zu einer guten Lösung zu führen? Wenn das möglich ist, bin ich dafür, dass die SPD in der Groko bleibt. Erweist sich das als unmöglich, ist das ein politischer Grund, die Groko zu beenden.

Und wen unterstützen Sie als künftige Parteivorsitzende?

Ich werde für Olaf Scholz und Klara Geywitz stimmen.

Warum?

Weil ich möchte, dass wir eine starke Vertretung des Ostens in der Parteiführung haben. Und weil ich dem Paar und insbesondere Olaf Scholz zutraue, mit der Partei eine Profilierung und einen Aufbruch zu schaffen.

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