: Abschiebefachkräfte gesucht
Niedersachsen findet kaum Personal für Zentralstelle. Flüchtlingsrat protestiert gegen Abschiebebehörde
Von Reimar Paul
Das Land Niedersachsen will Abschiebungen von einer zentralen Dienststelle organisieren lassen. Der vom Landtag beschlossene Aufbau der neuen Behörde kommt aber nicht recht voran. Zunächst fühlten sich Kommunen übergangen, der niedersächsische Flüchtlingsrat und Wohlfahrtsverbände laufen gegen das Vorhaben Sturm. Und jetzt gibt es offenbar Probleme, überhaupt Personal für das neue Amt zu finden.
Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) hatte zu Jahresbeginn erklärt, der „Rückführungsvollzug“ müsse optimiert werden. Der Landesrechnungshof hatte 2018 festgestellt, dass die Abschiebungsquoten der einzelnen Kommunen unterschiedlich ausfallen und eine zentrale Behörde angeregt. Ein Vorteil davon sei eine einheitliche Rechtsanwendung, erklärte das Ministerium. Das gelte insbesondere bei der Erteilung von Duldungen und dem Beantragen von Abschiebungshaft.
Der Niedersächsische Städtetag hatte die Pläne zunächst kritisiert und vor einem Kompetenzgerangel mit den Kommunen gewarnt. Daraufhin war das Innenministerium etwas zurückgerudert. Die Behörde soll demnach nicht mehr von sich aus Abschiebungen initiieren, sondern nur noch auf Anfragen der Gemeinden und Kreise reagieren und bei rechtlichen oder medizinischen Fragen helfen. In der jetzigen Form hat der Niedersächsische Städtetag denn auch kein Problem mehr mit der Zentralstelle.
100 Mitarbeiter geplant
Inzwischen haben die ersten 16 Mitarbeiter der neuen Zentralstelle die Arbeit aufgenommen. Nachdem sie zunächst in Osnabrück angesiedelt werden sollte, hat die Behörde ihren Sitz stattdessen in Langenhagen bei Hannover bekommen, wo sich auch die Landesaufnahmebehörde und das einzige Abschiebegefängnis des Bundeslandes befinden. Bis Ende des Jahres sollen 50 Beschäftigte dort ihre Büros beziehen, langfristig soll die Zahl auf 100 steigen.
Von einer Entlastung der Kommunen könne noch nicht gesprochen werden, sagt Stefan Wittkop vom Städtetag. Hier zeige sich der Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst. Dem Innenministerium zufolge hat es bereits einen „intensiven Austausch“ zwischen der Zentrale und den Ausländerbehörden der Kommunen gegeben. Oft sei es um Dublin-Fälle gegangen, also um die Rückführung von Asylsuchenden in den EU-Staat, in dem sie zuerst registriert wurden.
Organisationen wie der Flüchtlingsrat kritisieren, dass es dem Land vorrangig darum gehe, die Abschiebezahlen zu erhöhen. Die Möglichkeiten zur Teilhabe und die Bleibeperspektive für Geflüchtete hätten sich verschlechtert. Die Landesregierung lasse sich von rechten Stimmungen treiben, erklärten rund 40 Verbände, darunter auch die Diakonie und der Caritasverband. Dass Niedersachsen über eine Politik des schnellen Abschiebens von zentraler Stelle aus eine „Erfolgsbilanz“ vorweisen wolle, sei mit einer Kultur des Willkommens und des solidarischen Zusammenlebens in den Kommunen unvereinbar. Das Land erhöhe mit der Zentralisierung den Druck auf die Kommunen, damit diese die Abschiebezahlen erhöhten.
Bloß ein bisschen gebündelt
Am 26. Oktober protestierten Flüchtlinge und ihre Unterstützer in sieben niedersächsischen Städten gegen die „zentrale Abschiebebehörde“ (ZAB). Die Landesregierung solle von dem Vorhaben ablassen, forderten Aktivisten in Braunschweig, Göttingen, Lingen, Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Vechta. Der Aktionstag stand unter dem Motto „Bleiberecht und Sichere Häfen statt Abschiebungen und ZAB“.
Innenminister Pistorius hat Kritik an der Zentralisierung wiederholt zurückgewiesen. Es werde keine neue Abschiebebehörde geschaffen, sondern lediglich ein Dezernat, das sich mit der Bündelung bestimmter Abschiebungsfälle befasse. Das Ziel sei, Abschiebungen „rechtssicher zu machen und dafür zu sorgen, dass die Menschen nicht über Monate und Jahre zwischen Baum und Borke hängen und dass sich am Ende der Rechtsstaat Geltung verschafft“.
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