: Die Ästhetische
Die F.A.Z. setzt der hässlichen Welt Schönheit entgegen
Es war vor vielen Jahren, ich war noch so jung – Sie sehen, ich hole F.A.Z.-typisch weit aus und schmuggle, nicht minder frankfurtisch, ein Funny-van-Dannen-Zitat ein –, da saß ich in einem Literaturseminar an der Uni in Venedig. Es ging um Heroen der klassischen Moderne. Die Moderne, hörte ich, sei nicht zuletzt eine negative Moderne, die die Hässlichkeit des Lebens im Kapitalismus grandios zum Ausdruck bringe; wir sollten achtgeben, dass wir die Literatur nicht mit dem wirklichen Leben verwechselten, das schön und lebenswert sei.
Wenn ich die F.A.Z. in die Hand nehme, dann stellt sich ebendieses Gefühl ein: Gewiss, die Welt ist ein Schlachthaus, ist es immer gewesen und wird es in der Sicht der dort Schreibenden, außer bei Dietmar Dath, wohl auch für immer bleiben. Jedoch, es ist auch faszinierend da draußen, und vor allem können wir etwas dagegensetzen: Kultiviertheit, Schönheit in der Gestaltung, Texte, die nicht der Aktualität hinterherrennen.
Fast duftet die F.A.Z. noch ein wenig nach dem letzten Zigarettenrauch, Dandytum und Snobismus umweht sie ohnehin. Derweil schlägt einem beim Aufschlagen der Konkurrenz aus München eher der Geruch einer Sportumkleide entgegen – die „Süddeutsche“ ist und bleibt eben doch eine Lehrerzeitung. Ambros Waibel
Diese Zeitung ist unbedingt zu loben, ja, ihr ist sogar zu danken. Weil ihr Journalismus oft ein großes Ärgernis ist. Und Freude zugleich. Die F.A.Z ist bekennenderweise eine bürgerliche Zeitung. Elitär, standesbewusst, tonangebenwollend. Heute vor 70 Jahren, am 1. November 1949, erschien sie erstmals in Frankfurt am Main, der Beinahe-Hauptstadt und dem über die meisten Jahre der Nachkriegszeit sogenannten Zentrum der intellektuellen und ökonomischen Macht: Suhrkamp, Adorno, Joschka Fischer, Börse, Banken, Kunst. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung war Stimme der Bundesrepublik in die Welt.
So viel zur Selbstreklame.
Für Menschen, die ungern dauernd sich selbst bestätigt sehen und also auf Lektüre weltanschaulich gegensätzlicher Blätter angewiesen sind, ist diese Zeitung pures Gold. Sie leistet sich einerseits Oppositionsgeist wider die Konservativen, was sie sich leisten kann, denn eine Stiftung trägt sie, was sie nicht besonders abhängig machte von angedrohten Anzeigenboykotten. Andererseits war und ist sie gegen alles, was irgendwie politisch links ist: Mietendeckel (siehe rechts), Reichensteuer, sozialstaatliche Besserungen. Aber immer wahnsinnig kenntnisgesättigt argumentierend.
Andererseits kämpft auch die F.A.Z. seit Jahren darum, sich ökonomisch halbwegs erschütterungsfrei zu halten. Das heißt, man muss journalistisch etwas hermachen, investigativ, diskursiv im durchaus marktschreierischen Sinne. Man muss sich ja nicht mehr gegen „Zeit“ und „SZ“ behaupten, sondern gegen die Informiertheiten im Internet. Dafür war Frank Schirrmacher der Richtige, der als Herausgeber teils irre Debatten führen ließ (die Rechtschreibreform, herrje!), teils aber auch im besten journalistischen Sinne den Riecher für kommende Themenlagen hatte (Das ärgerte die Feinstgeister). Die grandiosen Digitalisierungsdebatten zählen dazu. Dass Schirrmacher 2014 starb, bedeutete die Verflachung der Diskurserregungskurven. Andererseits hat jetzt das Feuilleton mit Jürgen Kaube den klügsten Texteschreiber überhaupt als Kopf.
„taz“-Freund Schirrmacher prophezeite vor zwölf Jahren, die Krise der Papierzeitungen würden nur zwei Blätter überleben: „taz“ und F.A.Z. – beide recht unabhängig von Anzeigen. Letztere verliert nicht enden wollend Auflage und damit Einfluss, was auch nicht dadurch aufgehalten zu werden scheint, dass immer noch keine Frau ins Herausgebergremium rekrutiert wurde. Jan Feddersen
Empfohlener externer Inhalt
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Die „taz“ muss der F.A.Z. dankbar sein. Nirgendwo lässt sich besser nachlesen, wie Neoliberale die Welt sehen. Manches ist zwar arg vorhersehbar: So wurde der Mietendeckel in Berlin als „Sozialismus à la DDR“ gegeißelt. Aber ganz so platt bleibt es nicht im Blatt. Sobald es ums Geld geht, ist niemand genauer als der F.A.Z.-Wirtschaftsteil. Gleich mehrere Artikel haben höchst kenntnisreich dargestellt, dass sich durch den Mietendeckel schon jetzt nicht mehr risikofrei mit Immobilien spekulieren lässt. Eines der Ziele ist also bereits erreicht, lässt sich zwischen den Zeilen lernen.
Der Wirtschaftsteil kann auch überraschen. Wer hätte gedacht, dass die F.A.Z. kürzlich fordern würde, dass die Regierung die Porsche-Fahrer und SUV-Liebhaber ordentlich zur Kasse bitten soll? Ganz so deutlich stand es zwar nicht in dem Kommentar, aber die Richtung war klar: „Man kann genau ausrechnen, wie viel Tonnen CO2 etwa der Verkehr noch emittieren darf, um die Klimaziele zu erreichen. Genauso viele Zertifikate sollten mit abnehmender Menge pro Jahr versteigert werden. Das wäre eine effiziente Steuerung, die Mehreinnahmen könnten in den sozialen Ausgleich, die Forschung und anderes fließen.“ Dies hätte auch in der „taz“ stehen können, nur anders formuliert.
Der Wirtschaftsteil berichtet zudem nicht nur über Unternehmen, Börsen oder Wirtschaftspolitik. Auch die theoretischen Debatten der Ökonomenzunft werden liebevoll abgebildet. In der F.A.Z. lässt sich kleinteilig verfolgen, wie sehr die neoklassischen Mainstream-Professoren an ihrer eigenen Theorie leiden. Der Schock der Finanzkrise 2008 sitzt tief, zeigte sie doch, dass die Annahmen der Konservativen falsch sind. Finanzmärkte sind nicht effizient, stattdessen folgen die Spekulanten der Herde. Auch funktioniert der „Markt“ nicht am besten ohne Staat – sondern der Staat wurde zum Retter der Banken.
Der britische Ökonom Keynes hat die Exzesse auf den Finanzmärkten übrigens schon 1936 richtig beschrieben. Ins Lager der Keynesianer will die F.A.Z. dennoch nicht wechseln. So bleibt sie das Organ, das am besten erklärt, wie die andere Seite denkt.Ulrike Herrmann
Empfohlener externer Inhalt
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Die „taz“ muss der F.A.Z. dankbar sein. Nirgendwo lässt sich besser nachlesen, wie Neoliberale die Welt sehen. Manches ist zwar arg vorhersehbar: So wurde der Mietendeckel in Berlin als „Sozialismus à la DDR“ gegeißelt. Aber ganz so platt bleibt es nicht im Blatt. Sobald es ums Geld geht, ist niemand genauer als der F.A.Z.-Wirtschaftsteil. Gleich mehrere Artikel haben höchst kenntnisreich dargestellt, dass sich durch den Mietendeckel schon jetzt nicht mehr risikofrei mit Immobilien spekulieren lässt. Eines der Ziele ist also bereits erreicht, lässt sich zwischen den Zeilen lernen.
Der Wirtschaftsteil kann auch überraschen. Wer hätte gedacht, dass die F.A.Z. kürzlich fordern würde, dass die Regierung die Porsche-Fahrer und SUV-Liebhaber ordentlich zur Kasse bitten soll? Ganz so deutlich stand es zwar nicht in dem Kommentar, aber die Richtung war klar: „Man kann genau ausrechnen, wie viel Tonnen CO2 etwa der Verkehr noch emittieren darf, um die Klimaziele zu erreichen. Genauso viele Zertifikate sollten mit abnehmender Menge pro Jahr versteigert werden. Das wäre eine effiziente Steuerung, die Mehreinnahmen könnten in den sozialen Ausgleich, die Forschung und anderes fließen.“ Dies hätte auch in der „taz“ stehen können, nur anders formuliert.
Der Wirtschaftsteil berichtet zudem nicht nur über Unternehmen, Börsen oder Wirtschaftspolitik. Auch die theoretischen Debatten der Ökonomenzunft werden liebevoll abgebildet. In der F.A.Z. lässt sich kleinteilig verfolgen, wie sehr die neoklassischen Mainstream-Professoren an ihrer eigenen Theorie leiden. Der Schock der Finanzkrise 2008 sitzt tief, zeigte sie doch, dass die Annahmen der Konservativen falsch sind. Finanzmärkte sind nicht effizient, stattdessen folgen die Spekulanten der Herde. Auch funktioniert der „Markt“ nicht am besten ohne Staat – sondern der Staat wurde zum Retter der Banken.
Der britische Ökonom Keynes hat die Exzesse auf den Finanzmärkten übrigens schon 1936 richtig beschrieben. Ins Lager der Keynesianer will die F.A.Z. dennoch nicht wechseln. So bleibt sie das Organ, das am besten erklärt, wie die andere Seite denkt.Ulrike Herrmann
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Die „taz“ muss der F.A.Z. dankbar sein. Nirgendwo lässt sich besser nachlesen, wie Neoliberale die Welt sehen. Manches ist zwar arg vorhersehbar: So wurde der Mietendeckel in Berlin als „Sozialismus à la DDR“ gegeißelt. Aber ganz so platt bleibt es nicht im Blatt. Sobald es ums Geld geht, ist niemand genauer als der F.A.Z.-Wirtschaftsteil. Gleich mehrere Artikel haben höchst kenntnisreich dargestellt, dass sich durch den Mietendeckel schon jetzt nicht mehr risikofrei mit Immobilien spekulieren lässt. Eines der Ziele ist also bereits erreicht, lässt sich zwischen den Zeilen lernen.
Der Wirtschaftsteil kann auch überraschen. Wer hätte gedacht, dass die F.A.Z. kürzlich fordern würde, dass die Regierung die Porsche-Fahrer und SUV-Liebhaber ordentlich zur Kasse bitten soll? Ganz so deutlich stand es zwar nicht in dem Kommentar, aber die Richtung war klar: „Man kann genau ausrechnen, wie viel Tonnen CO2 etwa der Verkehr noch emittieren darf, um die Klimaziele zu erreichen. Genauso viele Zertifikate sollten mit abnehmender Menge pro Jahr versteigert werden. Das wäre eine effiziente Steuerung, die Mehreinnahmen könnten in den sozialen Ausgleich, die Forschung und anderes fließen.“ Dies hätte auch in der „taz“ stehen können, nur anders formuliert.
Der Wirtschaftsteil berichtet zudem nicht nur über Unternehmen, Börsen oder Wirtschaftspolitik. Auch die theoretischen Debatten der Ökonomenzunft werden liebevoll abgebildet. In der F.A.Z. lässt sich kleinteilig verfolgen, wie sehr die neoklassischen Mainstream-Professoren an ihrer eigenen Theorie leiden. Der Schock der Finanzkrise 2008 sitzt tief, zeigte sie doch, dass die Annahmen der Konservativen falsch sind. Finanzmärkte sind nicht effizient, stattdessen folgen die Spekulanten der Herde. Auch funktioniert der „Markt“ nicht am besten ohne Staat – sondern der Staat wurde zum Retter der Banken.
Der britische Ökonom Keynes hat die Exzesse auf den Finanzmärkten übrigens schon 1936 richtig beschrieben. Ins Lager der Keynesianer will die F.A.Z. dennoch nicht wechseln. So bleibt sie das Organ, das am besten erklärt, wie die andere Seite denkt.Ulrike Herrmann
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