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Angriff während des Ramadan

Ein 27-Jähriger steht wegen einer Messerattacke auf einen muslimischen Jugendlichen vor Gericht – die Anwältin des Opfers spricht von einer „religiös motivierten“ Tat. Der Angeklagte sitzt in der Forensik

VonJan Zier

Das Interesse der Öffentlichkeit ist groß, als an diesem Tag der Prozess gegen Paul S. eröffnet wird. Der Staatsschutz hatte zuvor gegen ihn ermittelt – schließlich war befürchtet worden, seine Messerattacke auf Ardijan S. könnte einen politischen Hintergrund gehabt haben. Denn das Opfer, heute 16, ist Muslim. Und der Täter soll sich vor seinem Angriff in der Straßenbahnlinie 1 „abwertend über Moslems, das Fasten und den Ramadan“ geäußert haben. Das jedenfalls wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, die den Angeklagten nun der gefährlichen Körperverletzung beschuldigt. Die Anwältin des Opfers spricht von einem „religiös motivierten“ Angriff.

Paul S., 1992 in Kasachstan geboren, wird dem Landgericht aus der Forensik des Klinkums Bremen-Ost vorgeführt. Er trägt ein dunkelblaues Hemd unter dem schwarzen Jackett, dazu einen markanten Undercut. Zu allen Vorwürfen schweigt er und lässt über seinen Anwalt Sven-Uwe Burkhardt ausrichten, dass er das „äußere Tatgeschehen“ einräume. S. verzieht dazu keine Miene, keine Regung huscht über sein Gesicht.

In der Nacht des 31. Mai – es ist gerade Ramadan – soll er kurz vor Mitternacht Ardijan S. und seinen Freund zunächst verbal attackiert haben. Als die beiden sich deshalb umsetzen wollen, sticht der Angreifer ihm von hinten mit einem Messer – Klingenlänge: 6,6 Zentimeter – zunächst in den Hals, ein zweiter Stich trifft das Opfer in die Stirn. Anschließend flüchtet der Täter an der Haltestelle Berliner Freiheit unerkannt aus der Tram. Der Jugendliche musste in einem Krankenhaus behandelt werden, Lebensgefahr bestand keine.

Anwalt Sven-Uwe Burkhardt spricht davon, sein Mandant habe mit dem Messer „geschlagen“, viel mehr sagt aber auch er zunächst nicht. Paul S. der hier auch wegen Drogenbesitzes angeklagt ist, soll sich laut Anklageschrift „aufgrund von Alkohol- beziehungsweise Drogenkonsum in einem Zustand erheblich verminderter Schuldunfähigkeit“ befunden haben – ein Gutachter wird das im Laufe des Verfahrens zu beurteilen haben.

Als Ardijan S. schließlich aussagt, wird die Öffentlichkeit von dem Verfahren ausgeschlossen – er ist minderjährig, und die Aussage in Gegenwart des Täters „eine besondere psychische Belastung“, erklärte das Gericht zur Begründung. Für das Verfahren sind fünf Verhandlungstermine angesetzt.

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