: Entkolonisierung mit Musik
A Tribe Called Red, eine kanadische Aktivistencrew, im Musik & Frieden
Von Valerie Gruson
Sie bezeichnen sich als DJ-Kollektiv, doch eigentlich sind sie Aktivisten: A Tribe Called Red, ein Duo aus der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Aktuell bestehend aus Ehren „Bear Witness“ Thomas vom Cayugastamm und Tim „2oolman“ Hill vom Mohawkstamm, kombinieren A Tribe Called Red in ihrer Musik amtlichen HipHop und Elektro mit traditionellen Chants und Trommeln. Das funktioniert erstaunlich gut. Das Kollektiv tourt gerade durch Europa.
A Tribe Called Red entstanden 2008 aus der Partyreihe „Electric Pow Wow Nights“, die monatlich in Ottawa stattfand. Gründungsmitglied Ian Campeau war zuvor aufgefallen, dass in der Clubszene indigene Künstler fehlten, er füllte diese Lücke, indem er als DJ Aufnahmen von traditioneller Pow-Wow-Musik mit elektronischen Sounds unterlegte. Obwohl sich A Tribe Called Red tatsächlich formierten, um Dancefloorsound zu machen, ist das erklärte Ziel auch, gegen die Marginalisierung der indigenen Völker Kanadas vorzugehen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Sie nennen ihre Tätigkeit pointiert „aktive Entkolonisierung“.
Während in Deutschland wenig über die kanadische Kolonialgeschichte bekannt ist und „Indianer“ immer noch für ein Karnevalskostüm gehalten wird, sind A Tribe Called Red in Kanada Teil einer neuen Generation von First Nations, die ihre Kultur selbstbewusst zelebrieren und Vorbilder sein wollen. Dabei wird mit Klischees und historischer Romantik aufgeräumt. In den teilweise gerappten Texten wird immer wieder explizit auf die dramatischen Folgen der Besiedlung des Landes für die indigene Bevölkerung eingegangen.
Versuche der Siedler, indigene Kultur auszulöschen, indem Kinder in Umerziehungsinternate geschickt und Sprachen sowie kulturelle Praktiken verboten wurden, wirken sich bis heute aus. Auf dem dritten Studioalbum „We Are the Halluci Nation“ (2016) schildern A Tribe Called Red die Geschichte von Chanie Wenjack, einem Jungen des Anishinaabestamms, der aus einem solchen Lager floh und dabei an Entkräftung starb. Außerdem kommt mit dem Dichter John Trudell ein bedeutender Intellektueller der neueren indigenen Kultur zu Wort. Die Musik von A Tribe Called Red liefert auch den Soundtrack für Idle No More, eine Protestbewegung, die sich um die Rechte indigener Nationen in Kanada kümmert.
In Kanada zieren immer noch Konterfeis von „Indianerhäuptlingen“ als Maskottchen Sporttrikots. Indigene Frauen werden häufig Opfer von Gewaltstraftaten. Die wechselnden Mitglieder des Kollektivs nutzen ihre Plattform deshalb immer wieder für politische Botschaften für mehr Respekt und gegen Stereotype und Rassismus. So baten die Musiker 2013 ihre nichtindigenen Fans darum, bei Konzerten auf das Tragen von Federkopfschmuck und Kriegsbemalung als Praktiken kultureller Aneignung zu verzichten. Dies zog eine Debatte nach sich und führte schließlich dazu, dass auch bei anderen Musikveranstaltungen sogenanntes Redfacing für unerwünscht erklärt wurde. Wie Ian Campeau einmal treffend feststellte: „Als First Nations ist alles, was wir tun, politisch.“
A Tribe Called Red: Konzert am 4. 11. verlegt ins Musik & Frieden, Falckensteinstr, 48. 20 Uhr
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