Kommentar von Marco Carini zum grünen Crash: Der Skandal muss Konsequenzen haben
Was für ein Desaster: Da gehen die Grünen als Triumphator aus den Bezirkswahlen hervor, nehmen der SPD sogar den Bezirk Mitte ab, um sich schließlich mit verkleinerter Fraktion vermutlich in der Opposition wiederzufinden. Mit über die Medien gespielten Islamismus-Vorwürfen, die nun zum Teil zurückgenommen und zum Teil nur schwach belegt wurden, hat vor allem der Landesvorstand die Spaltung der Fraktion ausgelöst und den Wahlerfolg geschrottet. Dass nun diejenigen an der grünen Selbstdemontage Schuld sein sollen, die sich mit den aus der grünen Fraktion geworfenen Beschuldigten solidarisierten und als Reaktion auf den Ausschluss eine eigene Fraktion gründeten, ist absurd.
Das Vorgehen des Grünen Landesvorstandes hat den Konflikt zumindest entscheidend verschärft und die Lawine, die auch der neue Grünen-Kreischef Farid Müller nicht mehr stoppen konnte, ausgelöst. Es hat die Partei schwer und nachhaltig geschädigt.
Noch schlimmer und unverantwortlicher aber ist, wie zwei gewählte grüne Abgeordnete öffentlich demontiert und mit ehrabschneidenden Vorverurteilungen öffentlich hingerichtet wurden. Auch das hat die grüne Landesvorsitzende in Gang gesetzt. Dass sich zumindest bei einem der Beschuldigten die Vorwürfe als haltlos erwiesen haben, der Landesvorstand ihn aber bis heute nicht öffentlich rehabilitiert hat, ist – man kann es nicht anders nennen – menschenverachtend.
Die grüne Parteispitze hat gegenüber ihren Mitgliedern und MandatsträgerInnen eine Fürsorgepflicht, die sie mit Füßen getreten hat. Nun denjenigen, die deswegen in Richtung SPD flüchten, parteischädigendes Verhalten vorzuwerfen, ist perfide. Die TäterInnen erklären die Opfer der von Ihnen angezettelten Kampagne zu Tätern und sich selbst zu deren Opfern. Mehr Realitätsverklärung geht nicht.
Die Situation können die Grünen nur noch dadurch verschlimmern, indem sie ihrem Landesvorstand dieses Verhalten durchgehen lassen und der Skandal keine personellen Konsequenzen hat. Versagen jetzt die grünen Selbstreinigungskräfte, geht die Partei aus dem Mitte-Desaster zu Recht beschädigt hervor.
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