: Stille in Ostseebädern in Gefahr
Lärmschutz am Fehmarnbelt und sinkende Akzeptanz der Bevölkerung waren Themen einer Krisensitzung
Daniel Günther, CDU, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
Von Sven-Michael Veit
Eine Zusammenkunft in dieser Größenordnung habe er noch nie erlebt, sagt ein Teilnehmer, der im Bundestag schon viel erlebt hat. „Das war eine knallharte Krisensitzung“ von etwa 60 VertreterInnen von Bundesregierung und Bundestag, volle zwei Stunden lang. „Das Thema Fehmarnbelt elektrisiert jetzt alle“, berichtet auch ein anderer Teilnehmer von dem „Politischen Frühstück“ am Donnerstagmorgen in Berlin. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte zur Debatte über den Lärmschutz für die Ostseebäder gebeten, und alle kamen.
Bis auf einen: Enak Ferlemann (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und seit mehr als einem Jahrzehnt federführend bei den Planungen, ließ sich vertreten. „Muffensausen“ habe ihn dazu bewogen, sich nicht schon morgens um sieben Uhr der Kritik aus dem Norden zu stellen, so die Vermutung. Denn an der mangelte es nicht, da das Bundesverkehrsministerium den zugesagten übergesetzlichen Lärmschutz an der 88 Kilometer langen Schienen- und Straßenstrecke zwischen Fehmarn und Lübeck kräftig vermindern will. Statt mehr als 850 Millionen Euro will der Bund nur noch 500 Millionen aufbringen, zudem solle das Land sich mit einer deutlich höheren Summe beteiligen. „Vom Bundesverkehrsministerium sind wir natürlich schon enttäuscht“, sagt Günther.
Er befürchtet wachsenden Widerstand in der betroffenen Region Ostholstein zwischen Fehmarn und Lübeck, wenn die zusätzlichen schweren Güterzüge ungeschützt durch die Ostseebäder rollen sollen: „Wer das jetzt einfach wieder einkassiert, riskiert sehenden Auges wachsende Widerstände in der Region und weitere Klagen“, sagt er voraus.
„Deshalb haben wir uns jetzt auch bewusst an die Bundestagsabgeordneten aus dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss gewandt.“ Die hätten schon mal dafür gesorgt, dass für ein anderes Projekt übergesetzlicher Lärmschutz bezahlt wurde, vor allem 2016 für die Rheintal-Bahn in Baden-Württemberg. Die aber führt durch den Wahlkreis des damaligen Bundesinnenministers und jetzigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU).
Nach dem Krisentreffen versuchten die norddeutschen CDU- und SPD-Abgeordneten der Großen Koalition, eine finanzielle Einigung auf die Beine zu stellen. Die Beratungen dauern noch an, aber Günther ist „sehr zuversichtlich, dass wir hier bald positive Ergebnisse haben werden“. Er habe „positive Signale“ erhalten.
Das sieht Konstantin von Notz, grüner Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein, anders. „Die Planungen sind verkorkst und unseriös“, sagte er. „Dieser Verschiebebahnhof an politischen Verantwortlichkeiten ist unwürdig.“
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