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„Die Ferkel quieken immer, wenn man sie hochhebt“

Aufnahmen von dem Tierrechtsverein Animal Rights Watch zeigten einen brutalen Umgang mit Schweinen in einem Bioland-Betrieb. Die Betreiber sehen das anders und zeigen der taz ihren Hof

Aus Luckau Katharina Gebauer

Der Bioland-Hofbetreiber Jochen Kulow wehrt sich gegen Vorwürfe seitens der Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch (Ariwa). Ende August filmten Aktivist*innen heimlich auf Kulows Eichenhof im Wendland. Der NDR und auch die taz berichteten. Schweine wurden im Krankenstall und Sauen in sogenannten Abferkelkörben gefilmt. Zudem ist auf dem Videomaterial ein Mitarbeiter zu sehen, der die Tiere tritt und schlägt, an den Ohren und am Schwanz trägt. Nun lud Betreiber Jochen Kulow die taz zu sich auf den Hof ein.

„Wir haben nichts zu verstecken“, sagt er. Das sei auch der Grund, warum der Hof weder Alarmanlagen, Schlösser oder einen Wachhund habe und die Aktivist*innen problemlos in die Ställe gekommen seien. „Ariwa hat den Zustand der Tiere total einseitig gefilmt und dadurch wurde auch so darüber berichtet“, kritisiert Kulow.

Mit seinem Sohn Jakob hat Kulow in mittlerweile vierter Generation einen Bioland-Betrieb mit Schweinen aufgebaut. Insgesamt 300 Muttersauen und 2.500 Mastschweine hält er auf dem Hof im Landkreis Lüchow-Dannenberg, 40 Mitarbeiter*innen arbeiten hier.

In einem Fernsehbericht des NDR über „Die Tricks mit Bio und Öko“ schaute sich die Tierschutzbeaufragte des Landes Berlin, Diana Plange, die Filmaufnahmen der Tierrechts-Aktivist*innen an. Sie sieht das zuständige Veterinäramt und Bioland in der Pflicht, Anzeige zu erstatten.

Unmittelbar nach dem Bericht wurde der Betrieb indes unangekündigt durch den Bioland-Verband kontrolliert: Die Tiere seien „in einem einwandfreien Zustand“ vorgefunden und die Bioland-Richtlinien eingehalten worden, hieß es dazu. Auch eine spätere Veterinärkontrolle hatte keine Missstände feststellen können.

Wohl auch, weil Bioland und Verterinäre ihm zur Seite gesprungen sind, hat Kulow offenherzig die Presse eingeladen: Er will damit seinen Ruf retten. Gleichzeitig waren auch die Videos der TierrechtsaktivistInnen, über die wir berichtet haben, Dokumente, die nicht ohne eigenes Interessen entstanden sind. Beides muss bei dem Besuch reflektiert werden.

In den Ställen mit Kastenständen sind Sauen untergebracht, die kurz vor der Geburt stehen. Während des Besuchs der taz können sie sich frei in ihren Ställen bewegen. Auf den Aufnahmen von Ariwa sind dagegen alle Sauen eines Stallgangs in Abferkelkörben fixiert.

„Das sind einjährige Jung­sauen, die das erste Mal abferkeln“, sagt Jakob Kulow. Solche Jungtiere, die zum ersten Mal vor der Geburt stehen, seien mitunter sehr nervös. „Daher muss die Geburtshilfe permanent durch den Menschen möglich sein“, ergänzt er. Die Fixierung verhindere zudem, dass die Sau ihre eigenen Ferkel erdrückt. Nach Bioland-Richtlinien dürfen nur sogenannte Problemsauen unmittelbar vor dem Abferkeln bewegungslos fixiert werden. Was eine Sau zu einer Problemsau macht, ist in den Leitlinien nicht weiter definiert.

Nach der Geburt kommen die Sau und ihre Ferkel auf dem Eichenhof in einen anderen Stall, zu dem ein Außengehege gehört. Die Tiere dort wirken während des Besuchs agil. Nach Bio-Richtlinien muss in diesem Gehege immer genügend Stroh zum Wühlen vorhanden sein. Während außen tatsächlich viel Stroh liegt, ist der Boden innen nur mit einer dünnen Schicht Einstreu bedeckt. „Wenn wir hier noch mehr Stroh hätten, wäre die Gefahr größer, dass sich die kleinen Ferkel einbuddeln und aus Versehen von der Mutter erdrückt werden könnten“, sagt Jakob Kulow.

Wir schauen uns das Video der versteckten Kamera gemeinsam an. Im Video schlägt ein Mitarbeiter unter anderem ein Schwein mit einer Harke. „Dieses Schwein hat einen Neuzugang in der Krankenbox angegriffen. Da muss man aus Tierschutzgründen eingreifen“, sagt Jakob Kulow. Aber auch er gibt zu: „Mit einer Harke definitiv nicht.“

Im Video schlägt ein Mitarbeiter ein Schwein mit einem Hammer. Das sei „absolut inakzeptabel“, gibt der Hofbetreiber zu

Eine andere Szene zeigt einen Mitarbeiter, wie er ein quiekendes Schwein an Schwanz und Ohr trägt. „Die Ferkel quieken immer, wenn man sie hochhebt. Auch, wenn man sie unter dem Bauch anfässt“, sagt Jakob Kulow. Er könne nicht mit Gewissheit sagen, ob das Tier in diesem Moment Schmerzen empfinde. Tatsächlich ist es in vielen Betrieben Praxis, Schweine durch den Griff am Schwanz zu steuern – nicht aber, sie daran hochzuheben.

Später schlägt der Mitarbeiter im Video ein anderes Schwein mit einem Hammer. „Der Mitarbeiter hat unglücklicherweise den Hammer für eine Reparatur bereits in der Hand, als er die Schweine umtreibt“, sagt Jakob Kulow. Das sei „absolut inakzeptabel“.

Auch um weitere Kritik abzuwenden, versichern die Kulows, den Umgang mit den Tieren noch verbessern zu wollen. Kranke Tiere sollten künftig etwa mit einer Transportvorrichtung in den Krankenstall gebracht und zum Treiben ein sogenanntes Rasselpaddel verwendet werden. Die Mitarbeiter*innen seien sensibilisiert und umfassend geschult worden, sagt Jochen Kulow.

„Der Fokus unserer Aufnahmen liegt nicht auf den Verstößen gegen irgendwelche Richtlinien“, sagt Ariwa-Pressesprecherin Sandra Franz. Vielmehr wolle Ariwa Verbrauchern die Augen öffnen: „Jede Nutztierhaltung bedeutet, Tiere auszubeuten“, findet sie. Die Tierrechtsorganisation fordert von Bioland, für die Verbraucher deutlich zu machen, was genau sie kaufen. „Bio und konventionell ist nicht weit voneinander entfernt. Die Tiere sind nicht auf einer grünen Wiese“, sagt Franz.

Angezeigt hat Ariwa den Betrieb dennoch nicht. Das bringe im Rahmen der gegenwärtigen Rechtsprechung für die Tiere nichts. Und: „Wir kritisieren das Gesamtsystem und die Normalität der Tiernutzung, nicht die einzelnen Landwirte“, heißt es von Ariwa zum Eichenhof.

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