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PlastikfürdieWelt

Plastikabfälle bilden gigantische Strudel im Meer, sie tauchen in den entlegensten Gegenden auf und in den Mägen von Fischen; sie ersticken Vögel und heizen bei alledem auch noch das Klima an. Mit dem Plastiktütenverbot hat jetzt die Diskussion über Vermeidung begonnen 43–45, 46

Von Gernot Knödler

Dem Plastikmüll ist nicht zu entkommen. Abfälle aus Plastik seien inzwischen in den entlegensten Gegenden anzutreffen, berichtet der Polarforscher Arved Fuchs. Der Abenteurer aus dem schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt war diesen Sommer an der Ostküste Grönlands unterwegs, dem Klimawandel auf der Spur – aber auch der Vermüllung der Meere.

Auf seiner Expedition „Ocean Change 2019“ hatte er spezielle Netze dabei, um nach Mikroplastik zu fischen. Mancher Effekt tritt aber auch deutlich drastischer zu Tage. „Wir finden verendete Seevögel, die keine Nahrung mehr zu sich nehmen konnten, weil der Magen mit Plastik verstopft ist“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Dass Plastikteile überall zu finden sind, ist kein Wunder, hält man sich die schiere Menge vor Augen, die weltweit erzeugt wird: 2017 verbrauchte die Menschheit nach Angaben der Europäischen Umweltagentur fast 350 Millionen Tonnen Plastik, 15 Prozent davon alleine die EU.

Begonnen hat der Plastikboom nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Entdeckung, dass sich aus einem Abfallprodukt der chemischen Industrie Polyvinylchlorid (PVC) herstellen lässt. Wie es der Plastikatlas des BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt, folgte die Massenproduktion vieler weiterer Plastikarten, vom Polyethylen übers Polypropylen bis hin zu Kunstfasern wie Nylon.

Das leichte, beliebig formbare Plastik findet sich in Elektrogeräten, Autos und Haushaltsgegenständen und in Gebäuden. Die größte Teilmenge sind Verpackungen, die zugleich am kürzesten verwendet werden. Politik und Behörden haben sie deshalb seit langem ins Visier genommen. Die deutsche Verpackungsverordnung, die erstmals die Verantwortung der Hersteller für ihre Produkte festschrieb, stammt aus dem Jahr 1991.

Knapp 30 Jahre später endet noch immer das meiste von dem Plastik, das die Deutschen in den Gelben Sack stecken, in einem Ofen. Nur 40 Prozent werden recycelt – so steht es für das Jahr 2016 im jüngsten Bericht der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung „Aufkommen und Verwertung von Verpackungsabfällen“.

Das soll sich verbessern. Zum ersten Januar 2019 ist die Verpackungsverordnung durch ein Gesetz abgelöst worden, das die europäische Verpackungsrichtlinie in deutsches Recht umsetzt. Seitdem müssen 58,5 Prozent des bei den deutschen Haushalten anfallenden Verpackungsmülls „werkstofflich wiederverwertet“ also recycelt werden. 2022 sollen es sogar 65 Prozent sein. Um das zu erreichen, gibt das Gesetz Mindeststandards zur Recyclingfähigkeit vor: Die verschiedenen Materialien sollen etwa leicht voneinander getrennt werden können und sortenrein sein.

Das Gesetz sieht Anreize vor. „Die dualen Systeme sind verpflichtet, die Höhe des Entgelts, das sie den Herstellern in Rechnung stellen, an der Recyclingfähigkeit zu orientieren“, sagt Sonia Grimminger vom Umweltbundesamt. Manchmal müsse auch der Verbraucher mithelfen – etwa indem er den Aludeckel vom Joghurtbecher abzieht und die Papier-Ummantelung wegpult.

Bei den ehemals allgegenwärtigen Plastiktüten hat eine Selbstverpflichtung des Handels geholfen. Ging das Umweltbundesamt 2013 noch von einem Pro-Kopf-Verbrauch von 71 Tüten pro Jahr in Deutschland aus, zählt die Deutsche Umwelthilfe derzeit noch 24 – gemeint sind nur Einkaufstüten, nicht die dünnen „Knoten“- oder „Leibchen“-Tüten für Obst und Gemüse. Aber auch so ergibt das knapp zwei Milliarden Tüten pro Jahr oder 3.700 Tüten pro Minute.

„Deutschland ist, was Plastiktüten angeht, ein Entwicklungsland“, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. 61 Länder hätten Plastiktüten verboten. „In diesen Ländern geht das Leben auch weiter“, sagt Fischer. Der Rückgang des Verbrauchs in Deutschland zeigt seiner Ansicht nach, dass die Leute ohne die Tüten klar kommen würden. Er fordert, jetzt den ganzen Schritt zu gehen und vollends auf Einwegtüten zu verzichten.

Das müsse auch für Tüten aus Bioplastik gelten, sagt Fischer, „weil die nicht umweltfreundlicher sind“. Zwar wird bei der Herstellung der Biotüten weniger CO2 frei als bei der Produktion herkömmlicher Tüten, argumentiert das Umweltbundesamt. Aber beim Anbau der nötigen Rohstoffe werde oft der Boden überdüngt; die Bauern setzten Pestizide ein und genveränderte Organismen; dazu komme die umweltbelastende Produktion in Fabriken.

Weil Bioplastik sich beim Abbau wie bei der Verbrennung zu CO2 und Wasser auflöse, habe es auch nichts auf dem Komposthaufen verloren. „Biologisch abbaubare Kunststoffe sollten, solange sie nicht vernünftig recycelt werden können, energetisch verwertet werden“, rät das Umweltbundesamt – sie gehören in die Müllverbrennungsanlage.

Papiertüten seien ebenfalls keine Alternative. Eine Tonne Papier aus frischen Fasern herzustellen, kostet laut Bundesamt ungefähr so viel wie die Produktion einer Tonne Primärstahl. Die Herstellung benötigt überdies Unmengen Wasser, ganz abgesehen vom Holz. Tragetüten müssten dick sein und zudem zugfest, bräuchten also eine große Mengen an Frischfasern, ergänzt Fischer von der Umwelthilfe.

Um die nach wie vor anschwellende Tütchenflut einzudämmen, fordert die Umwelthilfe eine Abgabe von mindestens 22 Cent für kleinformatige Tüten jeglichen Materials. „Da, wo der Verbraucher jeden Tag etwas anders machen kann, sollte man ansetzen“, findet Fischer.

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