heute in bremen
: „Leute, die abgezockt werden“

Foto: privat

Jürgen Seippel, 76, ist ehemaliger Sozialpädagoge und Diakon und seit 2013 aktiv im Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen.

Interview Lukas Scharfenberger

Herr Seippel, gibt es ein Menschenrecht auf Wohnen?

Jürgen Seippel: Laut Verfassung gibt es eines für alle Menschen, die hier leben. Das bedeutet, dass sie eine erschwingliche Wohnung haben, in der ein menschenwürdiges Leben möglich ist. Es ist ein Auftrag des Staates, das allen zu ermöglichen. Leider haben faktisch Tausende in Bremen keine angemessene Wohnung, 600 bis 700 sind obdachlos. Alleine schon für diese Menschen muss sich der Staat stärker einsetzen.

Wie entstand das Aktionsbündnis „Menschenrecht auf Wohnen“?

Das Aktionsbündnis wurde 2012 gegründet, nachdem wir in der „Unsere Lieben Frauen Kirche“ jeden Montag im Winter die Türen für Wohnungslose und Einsame geöffnet haben. Da wurden wir darauf aufmerksam, wie viele Obdachlose es gab und haben uns überlegt, ein Aktionsbündnis zu gründen.

Morgen bauen Sie eine Klagemauer?

Genau, morgen ist der Tag der Wohnungslosen, anlässlich dessen bauen wir auf dem Markt eine Mauer. Dort werden die Forderungen von Obdachlosen und Passanten an Zetteln angebappt und wir laden Politiker dazu ein, mit uns über Wohnungspolitik und Umsetzbarkeit der Forderungen zu sprechen.

Und was ist der Mieterratschlag?

Das ist eine Veranstaltung, die abends stattfindet. Wir treffen uns dort mit verschiedenen anderen Gruppen und besprechen Aktio­nen und Ähnliches. Das Angebot richtet sich an Menschen, die gerne aktiv werden möchten für bezahlbares Wohnen. Da geht es also nicht nur um Wohnungslose, sondern auch um Leute, die abgezockt werden durch Unternehmen wie Vonovia.

Aktion und Diskussion: Bau einer Klagemauer zum Thema Wohnen, Diskussion mit Politikern, 14 Uhr, Marktplatz.

Infoveranstaltung: Mieterratschlag, Vernetzungstreffen und Informationsaustausch, 18 Uhr, Gewerkschaftshaus

Wie bewerten Sie die Wohnungspolitik der neuen Landesregierung?

Im Grunde positiv, wir finden viele unserer Forderungen im Koalitionsvertrag wieder. Wir müssen aber noch sehen, ob die wichtige Hürde der Finanzierung genommen wird. Das wird sich aber erst bei den Haushaltsverhandlungen herausstellen. Wir werden darauf achten, dass die Dinge die im Koalitionsvertrag stehen, auch finanziert werden.

Aktuell wird die Praxis diskutiert, dass die Grundsteuer häufig auf Mieter*innen umgelegt wird, wie stehen Sie dazu?

Wir sagen ganz klar: Eigentum verpflichtet! Eigentümer sollen auf das, was ihnen gehört, die Steuern bezahlen und das nicht auf die Mieter umlegen.