: Gipfel zum Amazonas:Ein Pakt ohne Player
Nur sieben der neun Anrainerstaaten waren zum Amazonas-Gipfel in Kolumbien geladen. Nicht nur deshalb zweifeln Experten an der Umsetzbarkeit des beschlossenen Paktes
Von Sunny Riedel
Das Bild sollte Einigkeit und Entschlossenheit demonstrieren. Auf einem Treffen im kolumbianischen Ort Leticia haben die Vertreter von sieben der neun Amazonas-Anrainerstaaten am Freitag einen Pakt zum besseren Schutz des Regenwaldes geschlossen. An einer langen Tafel vor folkloristischem Hintergrund mit Strohhütte und Indigenen mit Fahnen unterzeichneten die Präsidenten der Gastgeberländer Kolumbien und Peru, von Bolivien und Ecuador sowie Vertreter Brasiliens, Surinames und Guyanas das Papier, das auch beim nächsten UN-Klimagipfel Thema sein soll.
In 16 Punkten bekennen sich die Ländervertreter zur „Wertschätzung von Wäldern und Biodiversität“, kündigen Aufforstungen und einen länderübergreifenden Datenaustausch über Brandherde an. Auch Brandstiftungen sollen besser verfolgt werden. Zudem haben die Länder illegalen Minen den Kampf angesagt. „Wir schreiben hier Geschichte“, schwärmte Kolumbiens Präsident Iván Duque. Das Ganze solle auf „Basis der nationalen Politik und ihren jeweiligen Gesetzesrahmen“ stattfinden. Mit anderen Worten: Die Staaten pochen auf ihre Souveränität in Sachen Schutz des Amazonas.
Besonders Brasiliens Machthaber Jair Bolsonaro, der wegen einer Operation nur per Videokonferenz zugeschaltet war, fürchtet ausländische Interessen im Regenwald. Per Videoschaltung forderte er von seinen Amtskollegen Widerstand gegen Versuche, den Regenwaldschutz zu internationalisieren: „Wir müssen eine starke Position einnehmen und unsere Souveränität verteidigen, sodass jedes Land die beste Politik für die Amazonas-Region entwickeln kann. Wir dürfen das nicht in die Hände von anderen Ländern geben.“
Diese Warnung bezieht sich wohl vor allem auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der kürzlich gesagt hatte, der Amazonas sei ein internationales Problem. Wohl nicht zuletzt wegen der Streitigkeiten zwischen den beiden Staatsmännern war Frankreich, das mit seinem Überseeterritorium Französisch-Guyana zu den Amazonas-Staaten gehört, nicht eingeladen worden, ebenso wenig wie Venezuela, dessen umstrittener Präsident Nicolás Maduro von Brasilien, Peru und Ecuador nicht anerkannt wird. Das allerdings ist nicht unerheblich: Illegale Minen sind zu einem Großteil in Venezuela aktiv.
Experten bezweifeln deshalb, dass der Amazonas-Gipfel mehr produzieren wird als bunte Bilder. Die Formulierungen im Text sind vage, und konkrete Maßnahmen, finanzielle Mittel sowie Zeitrahmen bleiben völlig außen vor.
Auch mit der zur Schau gestellten Einigkeit ist es nicht weit her. Bolsonaro hatte Boliviens sozialistischen Präsidenten Evo Morales kritisiert. Morales mache zwar den Kapitalismus als Ursache für die verheerenden Waldbrände aus, habe zugleich aber im eigenen Land zahlreiche Brände zu verantworten. Morales wiederum hatte sich zuvor auf Twitter bei Macron ausdrücklich für dessen Engagement bedankt.
Unwidersprochen blieb hingegen die Einlage von Ecuadors Präsident Lenín Morenos: Er hatte das Lied „Pare“ (Hört auf) des katalanischen Liedermachers Joan Manuel Serrat zum Besten gegeben, das mit den Worten beginnt: „Vater, sagt mir, was haben sie mit dem Fluss gemacht, er singt nicht mehr. Was haben sie mit dem Wald gemacht, es gibt keine Bäume mehr.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen