: Kenia liegt in weiter Ferne
Brandenburger CDU zerlegt sich – Rot-Schwarz-Grün fraglich
Aus Potsdam Stefan Alberti
Der Weg nach Kenia ist weit von Potsdam aus. Zum einen, weil es mehr als 6000 Kilometer Luftlinie nach Ostafrika sind – zum anderen, was eine rot-schwarz-grüne Koalition angeht. Eine Woche nach der Landtagswahl, die die SPD trotz großer Gewinne der AfD erneut zur stärksten Kraft im Land machte, ist völlig offen, ob es zu diesem Bündnis kommen wird, das sich SPD-Chef und Ministerpräsident Dietmar Woidke merklich wünscht. Denn die CDU als möglicher Partner zerlegt sich gerade selbst.
Woidke hatte schon am Wahlabend mit Blick auf das AfD-Ergebnis – fast ein Viertel der Brandenburger Wähler stimmten für diese Partei – auf „stabile Verhältnisse“ gedrängt und damit vor allem auf eine stabile Regierungsmehrheit gezielt. Denn SPD und Linkspartei, die seit 2009 zusammen regierten, hätten auch mit den Grünen zusammen nur die kleinstmögliche Mehrheit im Brandenburger Landtag: 45 von 88 Sitzen. Das würde bedeuten, dass es fünf Jahre lang keine einzige abweichende Stimme geben dürfte. Mit der CDU und den Grünen, also einer Kenia-Koalition, kämen hingegen 50 Sitze zusammen.
Das Problem: die CDU selbst. Denn der ist schon vor ersten Koalitionsverhandlungen ihr Spitzenkandidat und Verhandlungsführer abhandengekommen: Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben trat am Freitag zurück – nach scharfer Kritik aus den eigenen Reihen, die vor allem die frühere Fraktionschefin Saskia Ludwig anführte; sie gehört der erzkonservativen Werte-Union an. Die Kritiker werfen ihm unter anderem vor, dass er im Wahlkampf offen für eine CDU-geführte Koalition mit der Linkspartei war.
Für die Grünen steht nun infrage, ob sie weiter zu Kenia bereit sind. Senftleben, seit 2014 Fraktionschef, hatte sich einen Namen als pragmatischer und fähiger Politiker gemacht. Er war es, der für die Grünen jene weltoffene CDU ausmachte, mit der man sich eine Zusammenarbeit bislang vorstellen konnte, hieß es vom grünen Führungsteam. Mit den Rechtskonservativen um Ludwig an der Spitze, „wäre Kenia für uns erledigt“. Ob es dazu kommt, entscheidet sich am Dienstag, wenn die CDU im Landtag ihren neuen Fraktionschef wählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen