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Jasmin RamadanEinfach gesagtAls wären es böse Wespen

Foto: Roberta Sant'anna

Bitte schreib bloß keine Kolumne über Elektroroller, das ist so ein blödes leeres Dauerthema“, rief eine Freundin in die Geburtstagsrunde beim Vietnamesen.

„Ja, genauso gut könntest du darüber ­schreiben, dass alle darüber reden, dass ein Vietnamese nach dem anderen eröffnet, so wie vor ein paar Jahren ein Burger-Laden nach dem anderen und Anfang des Jahrtausends Sushi-Läden.“

„Sushi hatte ich schon lange nicht mehr, das ist ja schon fast Fast Food.“

„Ende der Neunziger war es der neue edle Shit.“

„Jeder neue Shit wird irgendwann banal, man muss ihn nur allen zur Verfügung stellen.“

„Dieses Elektroroller-Thema ist öde.“

„Aber doch ziemlich hitzig, die Teile machen so viele Leute aggressiv, es wird darüber geredet, als wären es böse Wespen, die nur an sich selbst denken.“

„Insekten denken nicht.“

„Leute auf E-Rollern auch nicht, sie stehen gedankenlos stocksteif da und werden fortbewegt, es sieht so albern aus.“

„Ja, und dann heizen sie leise ganz nah an dir vorbei und du erschreckst dich zu Tode.“

„Niemand will erschreckt werden.“

„Aber reiben sich deshalb alle so an diesen Dingern auf? Rentner genauso wie junge Leute.“

„Naja, es ist auch schon jemand daran gestorben.“

„Ach, nur irgendwelche übermütigen Youtuber, die als erste dran sein wollten.“

„Ich glaub, bald wird wieder mehr übers Wetter geredet.“

„Ja, die beliebteste Themenhülse überhaupt. Aber am Wetter sind auch schon viele gestorben.“

„Ich glaub, die beliebtesten Themen sind immer die banalen mit einer dramatischen Nebennote.“

„Erinnert ihr euch an diese Roboter, die vor etwa zwei Jahren durch Eimsbüttel gefahren sind?“

„Ja, da schlich immer so ein kürzlich noch Arbeitsloser hinterher, ganz auffällig unauffällig.“

„Ja, das war die Testphase, die Dinger sollten irgendwann allein Zeugs ausliefern.“

„Dann haben sie die Testphase wohl nicht überstanden.“

„E-Roller werden einfach aufs Geratewohl getestet. Aus dem Stand heraus. Zack, ab geht die Post.

„Und das von jedem Hirni, der spontan Bock hat.“

„Ich glaub, die meisten, die da drauf abfahren, sind FDP Wähler.“

„Und Grüne.“

„Ich glaub, das ist parteiübergreifend, aber die Linken würde ich rausnehmen.“

„Was ist mit Nazis?“

„Habt ihr schon einen Nazi auf ’nem E-Roller gesehen?“

„Ich weiß nicht. Wie sieht denn ein Nazi aus – hier bei uns in Hamburg?“

„Zu schwer zu identifizieren. Aber stellt euch vor, vor ’nem Jahr hätte es in Chemnitz schon E Roller gegeben und die Nazis hätten ihre Menschenjagd damit durchgezogen.“

„Und die Geflüchteten hätten auch welche gehabt – die bekommen, glaub ich, auch das Stadtrad-Abo bezahlt, zumindest hier in Hamburg.“

„Stellt euch mal die Bilder vor, die hätten weltweit noch mehr eingeschlagen wie ’ne Bombe.“

„Das wäre dann marketingtechnisch wohl in die Hose gegangen.“

„Dann wär das E-Roller-Thema kein leichtverdaulicher Sommerloch-Blubber mehr gewesen.“

„Genau, dann wäre es ein deutsches Thema geworden.“

„Sogar ein gesamtdeutsches!“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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