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Der Kandidat vom Land: ein Grüner bei den Roten

Der Ökobauer und agrarpolitische Sprecher Sascha Phillipp betreibt in Südbrandenburg einen großen Demeter-Hof. Jetzt will er für die SPD seinen Wahlkreis gewinnen

Aus Pretschen Stefan Reinecke

Sascha Philipp schaut auf die vertrockneten Blätter der Gurkenpflanze. „Läuse“, sagt er. Und: „Nicht so schlimm.“ Der Befall ist überschaubar. Tomaten, Gurken, etwas Chili wachsen im Gewächshaus in langen Reihen, ohne Chemie. Philipp, 47, ist Geschäftsführer des Biolandguts Pretschen. Das Geschäft läuft. Das Demeter-Gemüse wird in Berliner Bioläden verkauft. „Wir haben das größte Biogewächshaus in Brandenburg“ sagt er. „Klingt nach dicke Hose, ist es aber nicht.“

Die Geschichte von Sascha Philipp in dem Dorf Pretschen, 80 Kilometer südöstlich von Berlin, hat etwas von einem Märchen. Er kommt aus dem Westen. Im Osten lernte er in den 90er Jahren Landwirtschaft. 1999 kauft er den weitläufigen Gutshof, mit wenig Geld und viel Unterstützung einer an­thro­po­so­phischen Stiftung.

24 Leute arbeiteten damals auf dem Hof, zu DDR-Zeiten ein volkseigenes Gut. Zu viele für ein paar Hundert Hektar Ackerland und ein paar Hundert Rinder. Philipp entließ die Hälfte – und hatte eine Idee: Chicorée, ein empfindliches, sehr arbeitsintensives Gemüse. Die Nachfrage nach Biochicorée war groß in Berlin. „Man muss schauen, was der Markt will“, sagt Philipp. So einfach? So einfach. Nach zwei Jahren arbeiteten wieder zwei Dutzend auf dem Ökohof. 150 Tonnen Biochicorée liefert das Gut jährlich.

Der Demeter-Hof brummt. Zwar sind auch im Dahme-Spreewald die Bodenpreise explodiert, die Pacht ist zu hoch, Getreide wirft keinen Gewinn ab. Aber Hofladen, Biogemüse und -chicorée, der von September bis Mai angebaut wird, machen das mehr als wett. Kurzum: Ein Vorzeigebetrieb, erfolgreich, fast 3 Millionen Euro Umsatz jährlich, 40 Jobs. „Wir sind der Kleine unter den Großen“, so Philipp. Das Gebäudeensemble des Hofs mit der alten Brennerei ist weitläufig. In dem imposanten Herrenhaus, gebaut 1852, wo er sein Büro hat, könnte man einen SPD-Parteitag abhalten.

Die SPD regiert seit 29 Jahren in Brandenburg. In der Agrar­politik herrscht mitunter der Geist der 70er Jahre: Hauptsache, groß und viel, Nachhaltigkeit und Umwelt gelten eher als Gedöns. SPD-Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger strich sogar mal die Prämie für die Umstellung von konventioneller auf ökologische Landwirtschaft – während die Nachfrage nach regionalen Ökolebensmittel in Berlin in die Höhe schoss. Brandenburg war schon immer großagrarisch geprägt, bei den preußischen Junkern wie in der DDR. „Wir sollten den Kolchosenverschnitt nicht immer weiter fortführen“, findet Philipp. Er ist agrarpolitischer Sprecher der ökologischen Anbauverbände Brandenburgs.

Demeter, Ökoanbau, An­thro­po­sophie und die Retro-Agrarpolitik, von der sich die SPD allenfalls millimeterweise entfernt, passen kaum zusammen. Doch Philipp kandidiert im Wahlkreis 42 für die SPD. Warum das? „Auf dem Land interes­sieren sich die Leute nicht nur für Umwelt und Öko, sondern auch für das Soziale“, sagt er, gerader Blick, leichter Pottsound. Er kommt aus einer Bergarbeiterfamilie im südlichen Ruhrgebiet. Als Ende 2018 die letzte Zeche im Ruhrgebiet schloss, hat er mit seinem Vater einen Schnaps getrunken.

Passen Demeter und Ökoanbau und die Retro-Agrarpolitik der SPD zusammen?

Ist er das grüne Feigenblatt, das die bislang allenfalls zart angedeutete neue Ökooffenheit der Brandenburger SPD wahlkampftauglich darstellen soll? „Ich bin in der SPD als Ökolandwirt der Paradiesvogel“, sagt er. Mit konkreter Kritik ist er vorsichtig, aber im Grundsatz klar: „Bei der Agrarpolitik bin ich Opposition.“

Er ist spät, erst 2017, in die SPD eingetreten. Jetzt hat er gute Chancen, den Wahlkreis zu gewinnen. Im Landtag will er sich für einen staatlichen Fonds engagieren, der Jüngere unterstützt, die alte Höfe übernehmen wollen – so wie er es 1999 tun konnte. Und für mehr Ökolandwirtschaft.

Falls er gewählt wird, wird man an der Karriere von Sascha Philipp in Potsdam ablesen können, ob die Brandenburger SPD ihre Ökorhetorik ernst meint.

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