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heute in bremen„Wir wissen, dass viele direkt erschossen wurden“

Ulrike Huhn, 40, promovierte Historikerin, lehrt und forscht an der Uni Bremen und ist Projektleiterin des „Memory-Wiki“.

Interview Florian Fabozzi

taz: Frau Huhn, in Ihrem Vortrag zum Thema „vergessene NS-Opfer“ stellen Sie die Internetplattform „Terra oblita“ vor. Was hat es mit dem Namen auf sich?

Ulrike Huhn: „Terra oblita“ ist Latein und bedeutet „vergessenes Land“. Es sollen also vergessene Schauplätze, aber auch vergessene Opfergruppen des Zweiten Weltkrieges in Erinnerung gerufen werden.

Welche Ziele verfolgt die Plattform?

Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Kriegsverbrechen auch vor der eigenen Haustür stattfanden. Deswegen speisen wir unterschiedliche Orte, die mit verbrecherischen Taten in Verbindung stehen, in unser System ein. Dazu gehören ehemalige Arbeitslager und Erschießungsorte. Zusätzlich dazu geben wir Ansprechpartner an, mit denen man zu den jeweiligen Stätten und ihrer Geschichte in Kontakt treten kann.

Wie können Menschen an der Plattform mitwirken?

Indem sie zu Orten von Kriegsgeschehnissen im eigenen Umfeld recherchieren und neue Punkte in unserer interaktiven Karte setzen. In Russland und der Ukraine interessieren sich viele für das Schicksal ihrer einst gefangenen Angehörigen, können sich allerdings nicht auf Deutsch oder Englisch verständigen. Aus dem Grund haben wir ein Team, das russische und ukrainische Texte ins Deutsche überträgt. Ohnehin ist die Plattform mehrsprachig abrufbar.

Der heutigen Präsentation gingen Exkursionen deutscher, ukrainischer und russischer Studierenden voraus. Was wurde dort erarbeitet?

Neben der Plattformentwicklung haben die Studierenden russische und ukrainische Gedenkorte besichtigt und, basierend auf Vorfeldrecherchen, Präsentationen zu den Orten abgehalten. Die Forschung der Studierenden beschäftigte sich aber weniger mit den Gräueltaten des Krieges an sich, als mit der Frage, wie heute an sie erinnert wird.

Abschlusspräsentation : „Memory-Wiki – Sowjetische Kriegsgefangene“ von russischen, deutschen und ukrainischen Studierenden in Kooperation mit dem Verein „Kontakte Контакты“ , 19 Uhr im „Haus der Wissenschaft“

Sie sprechen die Erinnerungskultur an. Wie stark ist die in Ukraine und Russland ausgeprägt?

In Russland ist die Erinnerung an den Sieg zentral. Die Soldaten der Roten Armee gelten als Helden. Sinnbildlich dafür sind die aufwendigen Militärparaden, die am 9. Mai, dem „Tag des Sieges“ abgehalten werden. In der ­Ukraine herrscht zunehmend die Tendenz, sich vom sow­jetischen Erbe abzugrenzen. Es wird diskutiert, was das Erbe des Zweiten Weltkriegs im Hinblick auf den aktuellen Krieg in der Ost­ukraine bedeutet.

Einer der Schwerpunkte der Forschung liegt auf den weiblichen Kriegsgefangenen. Warum verdienen diese besondere Aufmerksamkeit?

Die Quellenlage ist dünn, es lässt sich kaum herausfinden, wie es den Frauen in Gefangenschaft ergangen ist. Zumal es von deutscher Seite keine offiziellen Anweisungen zum Umgang mit weiblichen Gefangenen gab. Wir wissen, dass viele direkt erschossen wurden, da das Kämpfen nach der NS-Ideologie als „wider der weiblichen Natur“ galt. Aber auch in Russland waren weibliche Soldaten tabuisiert. Frauen, die mitkämpften, taten dies inoffiziell, aus patriotischen Motiven, wurden aber an der Front auch Opfer von sexuellem Missbrauch. Aus Scham haben die meisten Frauen nach 1945 über diese Erfahrungen geschwiegen.

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