die gesellschaftskritik
: Wir wohnen viel zu groß

Allerorten wird über die Wohnungsnot geklagt, aber in Wirklichkeit sind wir selbst die Flächenfresser

Die Wohnfläche pro Einwohner ist gestiegen, um 1,7 Quadratmeter pro Kopf. Sie liegt nun im Bundesschnitt bei 46,7 Quadratmetern, meldet das Statistische Bundesamt am Montag.

Wir wohnen gern groß. Und bleiben lieber unter uns, wenn die Kinder ausgezogen sind oder der Partner nicht mehr da ist. Dabei wäre es an der Zeit, wieder Kulturtechniken zu entwickeln für das Zusammenleben mit Bekannten oder Fremden in einer Wohnung. Das spart Geld, ist sozialer. Und ökologischer.

Ledige, Geschiedene, Verwitwete leben in Einpersonenhaushalten, die im Schnitt 66 Quadratmeter verbrauchen, man benötigt schließlich Küche und Bad für sich allein. Das ist ein hoher Flächenverbrauch, monierte unlängst das Umweltbundesamt. Millionen von RentnerInnen geistern durch viel zu große Eigenheime, Jahre nachdem die Kinder schon lange ausgezogen sind und der Partner verstorben ist.

Doch solch Beharrungsvermögen kann sich nicht jeder leisten. Für viele Menschen kann es zur wirtschaftlichen Überlebensfrage werden, sich mit Fremden eine Wohnung zu teilen. Dabei stellt sich die K‑Frage: Küche und Klo. Wie gemeinsam nutzen? Vielleicht hilft strengste Disziplin. In manchen Gemeinschaftswohnungen in London beispielsweise, wo junge Berufstätige für 900 Pfund ein kleines Zimmer mieten, gilt die Regel, dass man nach jeder Kocherei die Küche blitzblank hinterlässt und im Bad keine persönlichen Kosmetikartikel herumliegen hat. Die Kulturtasche wird jedes Mal wieder aufs Zimmer geschleppt.

Untermietverhältnisse sind dennoch eine Nervenprobe. Die Rollenverteilungen aus „Der Kommissar“-Serie der 60er Jahre mit strenger Zimmerwirtin, Untermieter und dem Verbot von Damenbesuch sind heute undenkbar. Aber was tun, wenn jeden Tag vor der Eingangstür fremde Schuhpaare stehen und lärmende FreundInnen und Bekannte der Mitmieterin den Begriff der Gastfreundschaft in der Küche stets aufs Neue aktualisieren?

Wie flexibel kann man überhaupt noch sein? Erst recht im Alter, wenn die Wohnung als Schutzraum, als Intimsphäre empfunden wird, als eine Erweiterung des eigenen Körpers, an den man niemanden Fremdes heranlassen will. Nur ist das ohnehin eine Illusion. Wenn wir irgendwann den Weg zum Klo alleine nicht mehr schaffen und Hilfe brauchen, wird sowieso alles anders. Barbara Dribbusch