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Führung verzweifelt gesucht

Kommt da noch was? Drei Teams aus der zweiten Reihe bewerben sich bislang um die Nachfolge von Andrea Nahles. Das Parteiestablishment scheint wenig Lust auf den Job an der SPD-Spitze zu haben. Sicher ist: Die Kür wird noch bis Dezember dauern

Aus Berlin Stefan Reinecke

Es ist ein wenig so, als würde die Bundesliga beginnen – aber ohne Bayern München und Borussia Dortmund. So fühlt sich für manche die zähe Situation der SPD Anfang August an. Gesucht wird eine neue Parteiführung. Es haben zwar mittlerweile drei Teams erklärt, dass sie als Doppelspitze antreten – hinzu kommen zwei Einzelbewerber. Doch das Parteiestablishment hält sich auffallend zurück. Zwar fallen öfters die Namen von Arbeitsminister Hubertus Heil, Familienministerin Franziska Giffey, Ministerpräsident Stephan Weil und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil – doch ob wer vor dem 1. September seine Kandidatur erklären wird, ist offen. Weil hat sich, mit einem sehr kleinen Hintertürchen, auf ein Nein festgelegt. Auch über den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius wird spekuliert.

Michael Roth, 48, Europaminister im Auswärtigen Amt, geht das auf die Nerven. Es gibt, sagt er, „ein wachsendes Unbehagen in der Partei“ über die Zögerlichkeit der Spitze. Roth, ein moderater Linker aus Hessen, tritt gemeinsam mit der NRW-Landtagsabgeordneten Christina Kampmann, 38, an. Die findet es sogar „beschämend, dass nicht mehr kandidieren“. Daraus spricht zweierlei: Die Kritik, dass die Parteispitze das Amt offenbar scheut und rein taktisch behandelt. Zudem wüssten Kampmann und Roth wohl gern, mit wem sie es zu tun bekommen.

Die beiden fordern ein Investitionsprogramm und die Abkehr von der Politik der Schwarzen Null, allerdings ohne SPD-Finanzminister Olaf Scholz anzugreifen, der noch immer die Linie Schuldenabbau vertritt. Die Schlüsselfrage, ob die SPD weiter mit der Union regieren soll, beantworten Kampmann und Roth mit Jein. Offenkundig nutze der SPD ihre Erfolge in der Regierung nichts, andererseits wolle man bloß nicht „Hals über Kopf“ (Roth) die Koalition platzen lassen. „Raus aus der Groko wäre unterkomplex“, so Roth kürzlich bei einem Pressegespräch in Berlin. Bei den Renten, zentraler Streit der SPD mit der Union in der Koalition, hofft der Außenpolitiker auf „einen vernünftigen Kompromiss“. Nach Lust an Eskalation klingt das nicht. Roth will, falls er Parteichef wird, seinen Job als Staatsminister aufgeben

„Wir sollten die Phrasen- dreschmaschine ausschalten“

Michael Roth

Kampmann und Roth sind bislang die einzig offiziellen Kandidaten für den Parteivorsitz. Denn nur sie haben sich die Unterstützung von fünf Unterbezirken gesichert. Das – oder die Unterstützung durch einen Bezirk oder Landesverband – ist nötig, um ins Rennen zu gehen. Die Unterbezirke können jeweils nur eine Kandidatur unterstützen.

Karl Lauterbach, 56, Gesundheitsexperte und Fraktionsvize, will gemeinsam mit der Umweltexpertin und Bundestagsabgeordneten Nina Scheer, 47, antreten. Allerdings mangelt es bislang noch an der nötigen Formalie. „Das ist keine Hürde für uns“, so Lauterbach optimistisch. Mitte August werde man die Kriterien erfüllt haben. Scheer und Lauterbach werden in Kürze durch ein paar der 350 Unterbezirke touren. Das Duo setzt auf die Verbindung sozialpolitischer und ökologischer Expertise und hat in Sachen Groko eine klare Position: So schnell wie möglich raus. Denn niemand „wisse mehr, wofür die SPD eigentlich steht“, so Lauterbach. Das ist auch ein Effekt der Rolle als ewiger Juniorpartner der Union.

Diese Position wirkt klarer als die diffuse Einerseits-andererseits-Haltung von Kampmann und Roth. Lauterbach und Scheer wollen offenbar programmatisch mit einem Links-rechts-Crossover antreten – eine Position, die in der SPD seit Längerem diskutiert wird. Entschiedener Klimaschutz plus Umverteilung plus mehr Polizei und innere Sicherheit. Ein Malus für Lauterbach kann indes sein, dass er sich lange vehement für den Eintritt der SPD in die Merkel-Regierung eingesetzt hatte und die Regierungsbeteiligung noch bis vor kurzem eloquent verteidigte. Scheer war von Beginn an eine Gegnerin der Groko. Ein weiterer Malus kann sein, dass beide eher als Solotänzer denn als Teamplayer gelten.

Das dritte Team tritt mit Basisbonus an: Simone Lange, 42, ist Oberbürgermeisterin von Flensburg, Alexander Ahrens, 42, Bürgermeister in Bautzen. Lange ist eine entschiedene SPD-Linke und Groko-Gegnerin. 2017 trat sie, zum Missvergnügen der Parteispitze, gegen Andrea Nahles an und erzielte mit knapp 28 Prozent einen Achtungserfolg. Lange und Ahrens wollen die Groko in Berlin verlassen. Ihr Kalkül: Die SPD, die Wahlniederlage nach Wahlniederlage kassiert, ist in den Kommunen noch stark verwurzelt. Nun müssten, so die Eigenwerbung des Teams, KommunalpolitikerInnen mit praktischer Erfahrungen die Partei führen. Das mag für viele sympathisch klingen. Dass sich SPD-Lange für das gescheiterte Wagenknecht-Projekt „aufstehen“ einspannen ließ, wirkte etwas naiv. Die Frage ist, ob die beiden den Eindruck zerstreuen können, dass sie mit Bundespolitik überfordert sein könnten.

Zudem will sich der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Hans Wallow, 79, bewerben. In der Welt kündigte nun auch ein SPD-Rechter sein Kandidatur an. Robert Maier, 39, Sohn der Ex-SPD-Innenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier und Vizechef des SPD-Wirtschaftsforums, will die SPD zur Partei der inneren Sicherheit machen.

Das Wahlprozedere wird noch dauern. Im September werden die KandidatInnen sich in 23 öffentliche Debatten in der Republik präsentieren. Roth hat sich dafür etwas vorgenommen: „Unsere Sprache ist erschreckend. Wir sollten die Phrasendreschmaschine ausschalten.“ Nach der KandidatInnen-Tour wird die Basis im Oktober wählen. Gekürt wird die neue Spitze vom Bundesparteitag im Dezember.

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