pride in hamburg
: „Wir fordern eineEntschädigung“

Foto: privat

Cathrin Ramelow, 56, hat selbst Hormon-therapie und Angleichungs-OP hinter sich, und seit 2001 ein anderes Geschlecht im Pass stehen.

Interview Inga Kemper

taz: Frau Ramelow, wie hat sich die Lage für Trans-Menschen seit den 1980ern gewandelt?

Cathrin Ramelow: Dank des Bundesverfassungsgerichts hat sich viel getan. Die Verheirateten müssen sich nicht mehr scheiden lassen, um ihr Geschlecht im Pass ändern zu können. Auch eine Operation ist nicht mehr nötig. Vieles wurde aus dem Transsexuellengesetz rausgeklagt. Das einzige, was noch drin steht, ist der Gutachterzwang. In dem Gutachten müssen die Betroffenen nachweisen, dass sie seit drei Jahren unter dem Zwang stehen, ihr Geschlecht ändern zu wollen.

Warum fordern Sie dennoch eine Entschädigung vom Bundestag?

Das Bundesverfassungsgericht hat 2011 das Gesetz, dass Menschen fortpflanzungsunfähig sein müssen um ihr Geschlecht auf dem Pass ändern zu können, für verfassungswidrig erklärt. Für die Menschen, die bis 2011 noch zwangssterilisiert wurden, fordern wir eine Entschädigung.

Wie reagierten die Behörden darauf?

Bislang mit Unverständnis. Wir versuchen es ihnen jetzt zu erklären. Bislang wurde die Forderung nach einem Fonds ja nur in den Bundestag eingebracht, weil es in Schweden eine entsprechende Regelung gibt. Dort werden die Betroffenen jetzt entschädigt. Die Behörden hier haben es bislang für nicht notwendig erklärt.

Seit 2019 können sich Menschen auch für das dritte Geschlecht eintragen – eine positive Entwicklung?

„Nicht aus freien Stücken – Entschädigung für Zwangssterilisierte“, Veranstaltung mit Cathrin Ramelow, Tsepo A. Bollwinkel, Ulrika Westerlund und Eike Richter (Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg): 18 Uhr, Pride House/IFZ, Rostocker Straße 7; offen für alle Geschlechter

Ja, aber die Änderung des Personenstandsrechts sollte eigentlich nicht für Trans-Leute gelten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat letztens rumgeheult, dass das Gesetz gar nicht so gemeint war, wie es jetzt ausgelegt werde. Es wird von einigen Standesämtern im Moment so ausgeführt, dass Trans-Menschen sich ohne Gutachten als divers eintragen können – aber bislang auch nur als divers. Sie können weiterhin nicht einfach das Geschlecht verändern.

Was muss sich ändern?

Wir müssten den Gutachterzwang rauskriegen. Es müssen immer noch zwei Gutachten vorgelegt werden, die auf freiwilliger Gerichtsbarkeit beruhen. Das heißt, dass Leute die Gutachten selber zahlen müssen, wenn es hart auf hart kommt. Es wäre gut, wenn wir bei den Standesämtern auf Antrag den Vornamen und den Personenstand ändern können – selbstbestimmt, wie es so schön heißt. In Argentinien ist das längst möglich.