Im Schritt baumelt ein Surfbrett
Die eigene Mitte entdecken mit dem Yoni-Ei: Die Burlesque-Performerin Koko La Douce bietet Ermächtigungs-Workshops für Frauen mit „Vaginal Kung Fu“, was letztlich auf Beckenbodentraining hinausläuft
Von Jenni Zylka
Muskeln sind meist von Vorteil. Egal, ob innen oder außen. Koko La Douce interessieren vor allem die inneren, jene unsichtbaren Muskelgruppen, die in der weiblichen Körpermitte schalten und walten. Und mit denen eine Frau, mit ein bisschen Training, sogar Gewichte heben kann: „Man führt sich ein Yoni-Ei ein“, erklärt Koko und bewegt ein glattpoliertes kleines Gebilde aus Marmor, das an einer Seite ein Löchlein hat, zwischen den Fingern. Falls man möchte, könne man vorher noch mit einer Schnur etwas an das Ei binden, zum Beispiel ein Säckchen mit ein paar Murmeln. „Wenn man nun die Vaginalmuskulatur anspannt“, erklärt Koko, „bewegt sich das Säckchen sanft auf und ab – und macht endlich einmal diese Muskeln sichtbar!“ Sie demonstriert es an ihrer Hand, die Murmeln klirren leise. „Das zum ersten Mal zu sehen“, schwärmt Koko, „war für mich ein Schlüsselerlebnis – und das würde ich gern teilen.“
Die Mittvierzigerin mit dem klangvollen Künstlernamen ist Burlesque-Tänzerin, ausgebildete Beckenbodentrainerin und Performerin – und gibt seit einiger Zeit „Vaginal Kung Fu“-Workshops, die nächsten im Kreuzberger Frauenbad „Hamam“. Sie wohnt abwechselnd in Berlin und bei ihren beiden Söhnen in der Schweiz. Das kleine Zimmer in Kreuzberg gehört zu einer WG, unter einem Hochbett drängeln sich bunte, glitzernde Kostüme, dahinter klemmen Highheels, an der Wand steht ein Sekretär, gegenüber ein Sofa.
Koko, deren wippende graue Lockenpracht ihre Aussagen zu unterstreichen scheint, kommt gerade aus Las Vegas zurück, wo sie beizeiten in der „Burlesque Hall of Fame“ geehrt wurde. Sie erzählt davon, was der Vaudeville-Striptease-Tanz, der als Wiederentdeckung seit den 90ern mit Body-Positivity und weiblicher Selbstermächtigung assoziiert wird, einst bei ihr auslöste: „Das erste Mal hab ich das auf der Reeperbahn gesehen. Ich war in einer Lebensphase, in der ich an allem zweifelte.“ Ohne Erwartungen sei sie in einem Club gelandet. „Und da hab ich, bäm, plötzlich in den schönsten Hintern der Welt geguckt!“ Nach einer langen Zeit als „Burlesquerin“ mit Auftritten und Tanz-Workshops stieß Koko in den USA auf den Terminus „Vaginal Kung Fu“ – ein Wort, das ziemlich viele Assoziationsketten gleichzeitig zum Rattern bringt.
„Der Begriff“, erklärt Koko, „stammt aus dem Taoismus und ist über 5.000 Jahre alt.“ Nach einigen Quellen war „Vaginal Kung Fu“ damals ausschließlich Kaiserinnen vorbehalten, belegt ist das nicht. Es ginge, wie bei so vielen Techniken aus ähnlichen Bereichen, jedenfalls darum, sich selbst näher zu kommen, die „Mitte“ zu stärken – Koko spricht vom „Wurzelchakra“ als Sitz verschiedener Energien und ist sicher, mit ihren Workshops einen Nerv zu treffen: „Nach Vegan“, erklärt sie, „kommt jetzt Vaginal Kung Fu, ich sag’s dir!“ Die gesundheitlichen Vorteile, die man mithilfe der Übungen erreichen kann, gehen angeblich von besserer Beweglichkeit bis hin zu intensiveren Orgasmen – es könnten sich neue Nerven bilden, die stärkere Empfindungen versprechen.
Im Gegensatz zu anderen alten, mit Sexualität oder Erotik verwobenen Lehrwerken und Techniken wie Tantra oder Kamasutra stellt „Vaginal Kung Fu“ die Frau in den Mittelpunkt – Koko sieht ihren Workshop als feministisches Empowerment. Wenn man in sich drin nichts fühle, erklärt sie, sei man darauf angewiesen, dass der oder die Partner*in handelt: „Man wird passiv.“ Aber Vaginal Kung Fu verleihe einem nicht nur physische, sondern auch eine psychische Stärke.
Der Begriff stammt aus dem Taoismus und ist über 5.000 Jahre alt
Obwohl im Taoismus das „Fließen der weiblichen Säfte“ durchaus nicht nur als Gefälligkeit gegenüber Frauen propagiert, sondern vor allem für den Mann als günstig und gesund angesehen wurde. Synergieeffekte vielleicht. „Ich mache mit den Kursteilnehmerinnen auch eine Übung, die das Nein-Sagen zelebriert“, sagt Koko und erzählt von Frauen, die die Grenzen ihres Körpers nicht wirklich fühlen, nicht verstehen, was er ihnen gerade kommuniziert. Und wenn ein Yoni-Ei ihnen dabei helfen kann, diesen Dingen näher zu kommen – wieso nicht? „Das Ei öffnet Blockaden“, ist sich Koko sicher.
Der (Sex-)Appeal des Wortes „Vaginal Kung Fu“ hat jedenfalls schon zu unglaublichen Bildern im Netz geführt. Auf einem steht eine Frau breitbeinig im Sporthöschen und Hemd am Strand, im Schritt baumelt ein Surfbrett. „Das ist albern“, sagt Koko, „es geht überhaupt nicht darum, wie viel Gewicht man heben kann.“ Bemerkenswert sieht es dennoch aus. Auch wenn man kaum erkennt, wie es funktioniert – die Teilnehmerinnen ihres Workshops können selbstverständlich ebenfalls einen Rock oder ein Handtuch nutzen, um ihre frisch gestärkte Mitte für sich allein zu haben und sie je nach Empfinden zu verhüllen: „Du wirst keine Muschi zu sehen bekommen, sofern die andere das nicht möchte“, sagt Koko.
Übrigens gibt es auch den Begriff „Penis Kung Fu“ – jeder kennt die Witze über Shaolin-Mönche, die mit ihrem Penis Gewichte haben. Absurd, sagt Koko. Die Beckenbodenmuskulatur dagegen könne man bei Männern genauso trainieren. Nur wohl eher nicht mit dem Yoni-Ei.