: München verliert gegen (Ex)-Hauseigentümer
Die Stadt war gegen den Abriss eines denkmalgeschützten Hauses vorgegangen
Aus München Dominik Baur
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sind in der Regel nicht dafür bekannt, Besucherströme anzuziehen, doch als die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts München am Montagnachmittag zusammentrat, war der Saal voll. Denn der Fall, der hier verhandelt wurde, hatte schon vor knapp zwei Jahren großes Aufsehen verursacht – in der Stadt, in der Immobilienspekulanten ihr Unwesen treiben wie nirgends sonst in Deutschland: Es war im Stadtteil Giesing, genauer gesagt: in der Oberen Grasstraße, wo im September 2017 ein altes Häuschen abgerissen wurde – von einem Tag auf den anderen. Nicht irgendein Häuschen, versteht sich, sondern das Uhrmacherhäusl, Baujahr um 1840 und unter Denkmalschutz.
Die Empörung war immens, es gab Demonstrationen und Mahnwachen. Es gehe nicht an, schimpften Giesinger, und nicht nur die, dass ein Hauseigentümer sich über das Recht hinwegsetze, mit der Abrissbirne vollendete Tatsachen schaffe und am Ende noch davon profitiere, indem er ein neues, größeres Haus an der Stelle errichte. Zum Ärger über das Verhalten dieses speziellen Immobilienbesitzers gesellte sich natürlich noch die Sorge: Wenn der damit durchkommt, macht das Beispiel Schule.
Auch die Stadt München schloss sich der Kritik an und verdonnerte den Hauseigentümer kurzerhand dazu, das Haus in der ursprünglichen Form und Größe wiederaufzubauen. Dieter Reiter, seines Zeichens Oberhaupt der klagenden Stadt und ein eher ruhiger Typ, hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Bei einem Ortstermin schimpfte er, dieser Fall müsse jedem „die Zornesröte ins Gesicht treiben“. Im Bayerischen Rundfunk ergänzte der Oberbürgermeister, dass man sich „mit so einer Methodik auf gar keinen Fall Baurecht verschaffen“ dürfe.
Der Eigentümer des Häusls oder vielmehr des Grundstücks, auf dem es stand, sah das naturgemäß anders und klagte gegen die Anordnung der Stadt – mit Erfolg. Mit dem Abriss habe er nichts zu tun, argumentierte der Eigentümer; der Bauunternehmer habe da eigenmächtig gehandelt. Dass er in der jetzigen Situation das Grundstück jedoch gern mit einem um drei Stockwerke höheren Haus bebauen will, streitet er nicht ab.
Das Gericht begründete sein Urteil nun mit formalen Fehlern in der Anordnung der Stadt. Diese habe sich nicht damit beschäftigt, dass auch der Bauunternehmer zum Wiederaufbau verpflichtet werden könnte. Das Gericht habe sich daher gar nicht erst mit der Frage beschäftigen müssen, ob der Wiederaufbau des Uhrmacherhäusls überhaupt gefordert werden kann und ob den Eigentümer eine Mitverantwortung für den Abriss trifft. Immerhin äußerte Richterin Marion Pauli-Gerz Zweifel an der Behauptung des Eigentümers, der Bauunternehmer habe das Haus gegen seinen Willen abgerissen.
Erledigt ist die Sache damit aber noch nicht. Die Stadt kann Berufung einlegen oder dem Eigentümer einen neuen Bescheid zustellen. Richterin Pauli-Gerz rechnet damit, dass sich der Streit noch über ein Jahrzehnt hinzieht. Da zeichne sich eine ganze Latte weiterer Verfahren ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen