Berliner Teilhabegesetz: Ziemlich schwer verständlich

Das Berliner Teilhabegesetz soll das Bundesgesetz umsetzen und die Selbstbestimmtheit von Menschen mit Behinderungen stärken. Verbände üben Kritik.

Schild auf einer Demonstration: "Teilhabe statt Ausgrenzung"

Seit Jahren kämpfen Behindertenverbände für verbesserte Teilhabe Foto: dpa

Bei einem Gesetz muss man immer Kompromisse finden, und ich finde, wir haben einen sehr guten gefunden.“ So stellte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Freitag den Entwurf des Berliner Teilhabegesetzes vor. Der Senat hatte ihn Anfang Juli beschlossen. Das Gesetz soll das Bundesteilhabegesetz umsetzen, das Menschen mit Behinderungen effizienter fördern und die Person stärker in den Mittelpunkt stellen soll.

Dem Entwurf zufolge wird die Eingliederungshilfe, also die materielle und finanzielle Unterstützung von Menschen mit Behinderung, künftig nicht mehr von den Sozialämtern geleistet. Vielmehr werden „Teilhabefachdienste“ geschaffen, die aber physisch vorerst weiter in den Sozialämtern angesiedelt sind – beziehungsweise im Falle der „Jugendteilhabefachdienste“ in den Jugendämtern.

Wie Breitenbach und ihre Projektkoordinatorin Sibyll-Anka Klotz erläuterten, richtet jeder Bezirk ein „Haus der Teilhabe“ ein, um alle beteiligten Ämter, möglichst aber auch Vereine zu vernetzen. Bis auf Weiteres sind diese „Häuser“ lediglich virtuell. Für einen Teil der Leistungen ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) zuständig, dort sollen rund 100 neue Stellen geschaffen werden.

Für die Betroffenen ändern sich also die Ansprechpartner, sie müssen sich aber auch mit einem umfangreichen neuen Fragebogen auseinandersetzen, der den Namen Teilhabe­instrument Berlin (TIB) trägt. Er soll, so die Sozialverwaltung, „den Fachkräften helfen, Bedarfe personenzentriert und ressourcenorientiert zu ermitteln“. Christian Specht vom Vorstand der Berliner Lebenshilfe, der bei der Vorstellung des Entwurfs anwesend war, kritisierte eine mögliche Überforderung durch den komplexen Fragebogen. Klotz erwiderte, niemand müsse diesen selbst ausfüllen.

Einfach zu verstehen ist aber die ganze Reform nicht. Die umfangreichen Infoblätter in Leichter Sprache erläutern Änderungen, die sicherlich „personenzentrierter“ sind, bei manchen jedoch für Unsicherheit sorgen dürften: So wird das Geld für Eingliederungshilfen künftig direkt an die Leistungsberechtigten überwiesen, die dazu im Zweifel erst mal ein Konto eröffnen müssen.

Das Mittagessen in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung müssen diese selbst bezahlen – und dazu gegebenenfalls gesondert Unterstützung beantragen. „Man sagt dazu auch: Mehrbedarfs-Zuschlag“, heißt es im Dokument – ein Vokabular, mit dem auch Menschen fremdeln, die sonst nicht auf Leichte Sprache angewiesen sind.

Dominik Peter vom Vorstand des Berliner Behindertenverbands kritisiert gegenüber der taz etwas anderes: „Ein zentrales Ziel des Bundesteilhabegesetzes ist es, dass alle Leistungen aus einer Hand angeboten werden. Genau das erreicht der Entwurf nicht.“ Konkret: Die Trennung zwischen Fachdiensten für Jugendliche und für Erwachsene sei problematisch, weil der Wechsel für die Betroffenen immer einen Bruch darstelle.

Außerdem bekomme jeder Bezirk seine eigene Behörde. Die Senatorin habe sinnvollerweise eine Zentralisierung angestrebt, so Peter, dies sei von den Bezirken verhindert worden. „Wir erfahren heute schon immer wieder, dass das, was Bezirk A bewilligt, Bezirk B ablehnt. Genau das wird sich dann nicht ändern.“

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