: Austritte wegen Rechtsruck
Spaniens Ciudadanos-Partei übernimmt immer mehr Positionen der extremen Rechten. Mit diesem Kurs verschreckt sie Mitglieder – wie Frankreichs Ex-Innenminister Valls, der für die Partei angetreten war
Aus Madrid Reiner Wandler
Spaniens rechtsliberale Partei Ciudadanos (Cs) steckt in der Krise. Die Linie des Parteivorsitzenden Albert Rivera, sich für eine Mehrheit in einen Rechtsblock aus konservativer Partido Popular (PP) und rechtsextremer Vox einzureihen, hat ihnen nach den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai zwar Bürgermeister, stellvertretende Bürgermeister und sogar Minister in Regionalregierungen gebracht. Doch in der Partei gärt es. Der 39-jährige Anwalt Rivera steht im Kreuzfeuer der Kritik.
„Rivera hat eine sehr klare Strategie. Sie besteht darin, die Rechte anzuführen“, erklärt Toni Roldán (36). Der Wirtschaftswissenschaftler war bis vor zwei Wochen wirtschaftspolitischer Sprecher der Parlamentsfraktion von Cs – doch dann legte der Sozialliberale Amt und Parteibuch nieder.
Ihm folgten drei weitere Funktionäre, die zwar in der Partei blieben, aber ebenfalls ihre Ämter niederlegten. Bereits einige Tage zuvor brach der ehemalige französische Ministerpräsident Manuel Valls mit Cs, für die er in Barcelona zum Bürgermeister kandidiert hatte. Im Parteivorstand werden kritische Stimmen laut.
Riveras Sprecher indes spielen all das herunter. Es handle sich um einige wenige. An der Basis habe es keinerlei Austritte gegeben, heißt es dort.
Doch mit dem überraschenden Aufstieg der rechtsradikalen Vox in den vergangenen Monaten hat ein regelrechter Wettlauf darum begonnen, wer rechte Programmpunkte am besten vertritt. Rivera erhoffte, mit einem solchen Kurs aus den Parlamentswahlen im April als stärkste Kraft unter den drei Rechtsparteien hervorzugehen und, sollte es in der Summe für die Rechten reichen, zum Regierungschef gewählt zu werden.
Das ging nicht auf. Im spanischen Parlament verfehlten Vox, Cs und PP zusammen die Mehrheit. Und die angeschlagene PP ist auch nach den Parlamentswahlen und einmal mehr nach den Regional- und Kommunalwahlen Ende Mai stärkste Kraft auf der Rechten.
Rivera macht mit seiner Blocklogik dennoch weiter wie gehabt. Er gibt damit endgültig die bisherige Linie auf, der zufolge „Ciudadanos die einzige Partei ist, die mit beiden Seiten Bündnisse eingehen kann“.
„Wenn man die Rechte anführen will, muss man unweigerlich einige mentale Bezugspunkte der nicht liberalen Rechten akzeptieren“, warnt Roldán. Für ihn wäre die Alternative ein Bündnis mit den Sozialisten von Pedro Sánchez gewesen. Beide Parteien zusammen hätten eine stabile Mehrheit im spanischen Parlament.
In zwei Wochen findet die erste Abstimmung im spanischen Parlament über die Wiederwahl des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez statt. Wenn sich Cs dabei nicht enthält, sondern gegen Sánchez stimmt, ist der Sozialist neben den Stimmen der linksalternativen Unidas Podemos auch auf die von baskischen und katalanischen Parteien angewiesen. Das kritisiert Rivera, doch Abhilfe will er auch keine schaffen. Für Roldán wird damit „eine historische Möglichkeit für Stabilität“ vertan.
Rivera versucht zumindest zu vermeiden, dass es Fotos seiner Leute am Verhandlungstisch mit Vox gibt. Wo eine Mehrheit der drei Rechtsparteien möglich ist, verhandelt deshalb die PP getrennt mit Cs und dann mit Vox. Doch die Rechtsradikalen wollen zumindest in der Region von Madrid an der Regierung beteiligt werden.
Die taktischen Spielchen nutzen wenig, wie die Feier zum Anlass des Christopher Street Day zeigt. Ob in Sevilla, Barcelona oder Madrid, überall luden Schwulen- und Lesbenverbände die Cs aus, weil sie mit der homophoben Vox zusammenarbeitet, die unter anderem die Abschaffung der Antidiskriminierungsgesetze fordert.
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