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Jesus kennt auch Rücken-schmerzen

Yoga und Christsein, geht das zusammen? Klar, findet nicht nur Pia Wick, die auf dem Kirchentag christliche Yogastunden anbietet

Nicht nur Yoga, auch Qi Gong probieren die Kirchentagsbesucher gerne aus Foto: Friedrich Stark/epd

Von Jens Augspurger

„Herzlich willkommen zur Leichtigkeit“, begrüßt Pia Wick die Teilnehmenden am Freitagmorgen. Der Raum ist voll. Am Internationalen Tag des Yoga findet die Christliche Yogastunde schon zum zweiten Mal statt.

„Vor einigen Jahren wäre das vielleicht nicht möglich gewesen“, sagt die Yogalehrerin. Nach Schicksalsschlägen hat sie in ihrem Glauben Halt gefunden, doch fehlte ihr das Körperliche. „Nur Geist und Seele, das reicht mir nicht aus“. Nach einer Yogalehrerausbildung entscheidet sich Wick dafür, Christliches Yoga zu unterrichten. Zusammen mit ihrem Mann, Professor für Theologie, hat sie die Konzepte dafür selbst entwickelt.

Zur Yogastunde sind viele gekommen, die vorher noch nie Yoga gemacht haben oder Vorbehalte hatten. Im Raum liegen Matten, auf jeder liegen ein weißer Zettel mit einem Liedtext und ein gelber mit dem Bibeltext, an dem sich die Yogastunde thematisch orientiert.

„Vielleicht hatte schon mal jemand Rückenschmerzen?“, sagt Wick. Zahlreiche nicken. Zu Beginn werden Schultern und Nacken entspannt, Trapezmuskeln massiert. Während der gesamten Stunde findet Wick immer wieder Bezug zu ihrem Text: Matthäus 11, 28–30: Gottes Joch ist sanft, und die Last ist leicht. „Der göttliche Funke kommt von Gott.“ Diesen zu erfahren, dafür eignet sich Yoga auch als Instrument, meint Wick. Es hilft denen, die es praktizieren den eigenen Glauben zu vertiefen.

Eine Teilnehmerin bedankt sich am Ende der Stunde: „Ich war vorher unsicher, ob ich als Christin Yoga praktizieren könnte.“ Wick hat dazu eine klare Botschaft. „Hatha-Yoga unterstützt die biblische Botschaft“, sagt sie, nachdem in Anlehnung an das Mantra „Om“ drei Mal „Schalom“ gesungen wurde.

Katharina Lang, assistierte in der Yogastunde und studiert Theologie. Sie findet, dass die Yogapraxis auch zu einem besseren Selbstwertgefühl verhelfen kann. „Im Yoga kann ich sowohl Selbstliebe als auch Gottesliebe erfahren.“ Beide sind sich einig, dass das die Spiritualität eigentlich ausmacht.

Beim Yoga bleibt es nicht: Spirituelles Körperlernen oder Spirituelles Handauflegen sind weitere Veranstaltungen auf dem Kirchentag.

Religiös, das ist für viele inzwischen ein alter Begriff, mit dem man sich kaum noch schmücken mag. Spirituell zu sein ist heute oft als Abgrenzung gemeint, heißt selbstbestimmt, erfahrbar und oftmals auch jenseits von organisierter Religion. Denn deren Ganz-oder-gar-nicht-Regelwerke sind vielen Menschen zu starr.

Doch auch das kann Probleme machen. Yoga, das eigentlich einen hinduistischen und asketischen Hintergrund hat, wird immer mehr vermarktet und so auch sinnentleert. Warum nicht einfach Gymnastik oder Aerobic machen, so die Kritik vieler, die sich mehr spirit in alldem wünschen.

Die Suche nach Spiritualität, die insbesondere in der New-Age-Bewegung der 1970er Jahre gewachsen ist, findet auch wieder einen Weg in eher etablierte Strukturen. Und das, ohne dabei an Aussagekraft zu verlieren. Das wurde in der Yogastunde erfahrbar. Zum Ende strömen viele entspannt strahlende Gesichter aus dem Dortmunder Workshop-Zentrum zurück auf den wuseligen Kirchentag. „Am besten hat mir der Bibelvers ­gefallen“, sagt eine Teilnehmerin beim Rausgehen. „Und die Rückenschmerzen sind auch besser.“

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