: Selbsthilfe von Newcomerinnen
Zum zweiten Mal treffen sich geflüchtete Frauen in Rathenow, um ihre Probleme beim Ankommen in Brandenburg zu lösen. Arbeitskreise sollen die Zusammenarbeit mit Stadt und Verbänden verbessern
Von Uta Schleiermacher
Gegen Ende des Konferenztages wird Fatuma Musa Afrah noch mal laut. „Jetzt ist gerade nicht der Moment für Quatschen“, ruft sie. Einige der rund 50 Teilnehmerinnen aus Somalia, Eritrea, Afghanistan, Syrien, Iran oder Irak sind nach der Mittagspause teilweise noch in Gespräche vertieft, während andere im Garten des Familiencafés Rathenow schon Ergebnisse vorstellen.
„Ihr seid als Newcomerinnen die Expertinnen für eure Probleme, heute ist die Gelegenheit, dass offizielle Stellen euch zuhören“, sagt sie, die die Konferenz mit dem Verein United Action am Freitag organisiert hat. Musa Afrah spricht konsequent von Newcomerinnen – nicht von Geflüchteten. Auch die Frauen selbst nennen sich so, und der Begriff geht sogar den meisten Vertreter*innen von Stadt, Kreis und Wohlfahrtsverbänden wie selbstverständlich von den Lippen.
Es ist schon die zweite Konferenz für Newcomerinnen in Rathenow und Premnitz. Beim ersten Treffen im März hatten die Frauen ihre Probleme im Alltag und Forderungen für Verbesserungen zusammengetragen. Diesmal sitzen sie an Thementischen. Zu Gesundheit, Rassismus und Diskriminierung, Arbeit und Ausbildung, Freizeit und Sport und Selbstorganisation sind Arbeitskreise entstanden, in denen sie gemeinsam mit Vertreter*innen von der Stadt, Verbänden oder Beratungsstellen nach Lösungen gesucht wird.
Konkret sieht das so aus: Nachdem mehrere Frauen sich in der ersten Konferenz beklagt hatten, dass die Busfahrer in Rathenow sie nicht mitnehmen würden oder einfach an der Haltestelle vorbeifahren, hat der Arbeitskreis zu Rassismus und Diskriminierung einen Brief an das örtliche Busunternehmen geschrieben und um ein Gespräch gebeten. „Wir wollen herausfinden, ob es ein Missverständnis ist oder ob die Busfahrer die Frauen rassistisch diskriminieren“, sagt eine Mitarbeiterin des Arbeitskreises.
Alle wollen mehr Austausch
Im Arbeitskreis zu Kultur und Sport entsteht die Idee, gemeinsam mit Frauen aus Rathenow Szenen für eine Theateraufführung einzustudieren. Eine der Frauen erzählt von einer persischen Version von Romeo und Julia. „Wir wollen unbedingt mehr Kontakte mit deutschen Frauen“, ist die einhellige Meinung. Dies zeigt sich auch in den anderen Arbeitsgruppen: Fast alle haben den Wunsch nach mehr Austausch, sei es, um die Sprache zu üben, sei es, um Anschluss in Ratenow zu finden.
Eine weitere Erkenntnis der Konferenz: Manche Ideen scheitern an Rahmenbedingungen, etwa die Sportkurse nur für Frauen, die oft abends stattfinden, wenn Mütter von kleinen Kindern nicht teilnehmen können. Einer der Veranstalter sagt zu, über andere Uhrzeiten nachzudenken.
„Ich möchte den Frauen zeigen, dass sie selbst etwas gegen ihre Probleme tun und viel erreichen können, wenn sie sich engagieren“, sagt Musa Afrah. „Viele von uns sind geflüchtet, weil wir nicht frei leben konnten. Wir lernen erst, was es bedeutet, für die eigenen Interessen einzustehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen