HU sitzt den Tarifkonflikt aus

Am Grimm-Zentrum werden Beschäftigte untertariflich bezahlt – und als Leiharbeiter eingesetzt

Von Daniél Kretschmar

Der Regierende Bürgermeister verkündet nicht ohne Stolz das Ergebnis als Lösung eines über viele Jahre laufenden Tarifkonflikts an den Berliner Hochschulen: „Wir haben in Berlin den bundesweit besten Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte und schaffen mit den zusätzlichen Mitteln nun auch Sicherheit für diejenigen Stellen und Einsatzbereiche für Studierende, die künftig nach dem Tarifvertrag der Länder vergütet werden müssen.“ Hintergrund der Erklärung Michael Müllers vom vergangenen Freitag ist, dass studentische Beschäftigte seit 2018 einen besseren Tarifvertrag (Stud-TV) ausgehandelt und außerdem die Hochschulen über individuelle Klagen gezwungen haben, wissenschaftsferne Tätigkeiten nach dem nochmals besseren Tarifvertrag der Länder (TV-L) zu vergüten.

Doch was sich in Pressemitteilungen aus der Senatskanzlei so freundlich liest, ist in der Praxis weitaus komplizierter und noch lange nicht ausgestanden. Insbesondere die Humboldt-Universität (HU) zeichnet sich durch erhebliche Gegenwehr gegen die korrekte Einstufung der Studierenden aus. Während der Stud-TV inzwischen klaglos angewendet wird, setzt sich der Konflikt um nichtwissenschaftliche Beschäftigte, vor allem in Verwaltung, IT und Bibliotheken, unvermindert fort. Der Personalrat der studentischen Beschäftigten an der HU beklagt, dass entsprechende Verträge nicht an die geänderten Bedingungen angepasst, sondern nach ihrer regulären Befristung einfach beendet werden. Das betraf nach Auskunft der Personalvertretung an der HU in den vergangenen 12 Monaten rund 1.000 Stellen.

Die dort geleistete Arbeit fällt damit weg, was zu verringerter Beratungstätigkeit der Uni, schlechterem IT-Service und verkürzten Öffnungszeiten der Bibliotheken führte. Insbesondere des letzteren Problems versucht die Uni durch Outsourcing der Tätigkeiten Herr zu werden. So gab es im ersten Halbjahr einen Test mit einem Personaldienstleister, der Externe zum Beispiel zum Zurückstellen von Büchern bereitstellte. Die Ergebnisse waren dabei teilweise absolut unzureichend. In den Tiefen des Grimm-Zentrums verlorene, weil falsch eingeordnete Bücher sind kaum ohne Komplettrevision wieder auffindbar. Inzwischen beschäftigt der Personaldienstleister Studierende für diese Tätigkeiten, die jedoch weder nach TV-L noch nach TV-Stud bezahlt werden.

Disziplinierung durch Outsourcing

Die Leitung der Universitätsbibliotheken teilte dessen ungeachtet in einem internen Schreiben mit, dass das Hochschulpräsidium eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit dieses Outsourcings der Rückstelldienste bestellt habe. Zu diesem Zweck soll der Test mit dem Personaldienstleister um weitere sechs Monate verlängert werden. In dieser Zeit werden weitere Verträge von regulär beschäftigten Studierenden auslaufen, die dann ohne Hoffnung auf die früher übliche Vertragsverlängerung oder die eigentlich rechtskonforme Entfristung und TV-L-Beschäftigung dastehen.

Deshalb weist der Personalrat die Beschäftigten auch dringlich darauf hin, dass Arbeit­neh­mer*innen, die mindestens zwei Jahre in den betroffenen Bereichen beschäftigt sind, mit hoher Wahrscheinlich einen einklagbaren Anspruch auf Entfristung und Höherstufung haben. Bei anstehenden Vertragsverlängerungen operiert die HU inzwischen mit einem Ampelsystem, um das Klagerisiko einschätzen zu können. Grün markiert gefahrlose Weiterbeschäftigung, Gelb ein gewisses Risiko. Im „Risikobereich rot“ sind Verlängerungen ausgeschlossen. Der Personalrat der studentischen Beschäftigten erklärte gegenüber der taz, dass es über die Umstellung in tarifliche Arbeitsverhältnisse weiterhin keine Informationen von der Uni gebe: „Eine Planungssicherheit für die Beschäftigten gibt es nicht.“

„Bei den verbliebenen studentischen Beschäftigten bleibt der Eindruck, dass das Ziel ist, die ohnehin viel zu aufmüpfigen studentisch Beschäftigen* loszuwerden, statt bessere Arbeitsverhältnisse im Tarifvertrag der Länder herzustellen“, kommentiert die Betriebsgruppe der Basisgewerkschaft FAU das Vorgehen der Universität und kritisiert die ohnehin gängige Praxis des Outsourcings. Noch weiter als die HU geht übrigens die Alice Salomon Hochschule, die kritische Stellen aus regulärer Beschäftigung ausgliedert und „ehrenamtlich“ neu besetzt.