piwik no script img

Mehr Gendarme für die Räuber

Staatsanwaltschaft bekommt 50 zusätzliche Stellen bis 2020 und soll das „Containern“ zukünftig dulden

„Bagatelldelikte müssen entkriminalisiert werden, um die Justiz zu entlasten“

Martin Dolzer, Bürgerschaftsabgeordneter der Linken

Von Marco Carini

Es ist ein kräftiger Schluck aus der Pulle: Um 50 zusätzliche MitarbeiterInnen soll die Hamburger Staatsanwaltschaft bis Ende 2050 aufgestockt werden. Bekämpft werden soll damit vor allem die Arbeitsbelastung der „Hauptabteilung II“, die sich um die sogenannte Alltagskriminalität – vom Diebstahl bis zum Verkehrsdelikt – kümmert.

„Im Laufe der Jahre haben wir deutlich mehr Verfahren in diesem Bereich bekommen und müssen mit dieser zusätzlichen Arbeitslast umgehen“, benennt Justizsenator Till Steffen (Grüne) das Problem. Steffen weiter: „Das kann nur gelingen, indem wir zusätzliches Personal zur Verfügung stellen und die Struktur verändern.“

Die Kosten dafür werden sich nach Angaben der Justizbehörde ab 2020 auf 4,2 Millionen Euro jährlich belaufen. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) will zur Anschubfinanzierung Bundesmittel sowie eine halbe Million Euro aus dem Effizienzfonds seiner Behörde nutzen. Später müsse das Geld aus dem Hamburger Haushalt kommen. „Die Staatsanwaltschaft braucht keine Strohfeuer, sondern nachhaltige Unterstützung“, betont Dressel.

CDU, FDP und AfD begrüßten die Personalaufstockung, kritisierten aber, sie komme zu spät. „Sie ist seit sieben Jahren überfällig“, findet der CDU-Justizpolitiker Richard Seelmaecker. Die Überlastung der Staatsanwaltschaft sei seit Langem offenkundig gewesen. Laut FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein brauchen auch die Strafgerichte „mehr Personal, damit die Verfahren nicht zu lange dauern“.

Nur Martin Dolzer von der Linksfraktion wählte einen anderen thematischen Zugang: Bagatelldelikte wie Schwarzfahren oder Containern müssten entkriminalisiert werden, um die Justiz zu entlasten. Letzteres hat Steffen nun im Visier. Nachdem er vergangene Woche auf der Justizministerkonferenz mit dem Vorschlag gescheitert war, das „Containern“ nicht mehr unter Strafe zu stellen, will der Justizsenator jetzt einen Hamburger Sonderweg einschlagen.

„Wir wollen mit unserer Staatsanwaltschaft darüber reden. Sie hat die Möglichkeit, Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen“, plädiert Steffen dafür, die Straffreiheit fürs Containern auch ohne Gesetzesänderung faktisch umzusetzen. Nachdem seine Bundes-Initiative gescheitert war, die Entnahme von Lebensmitteln aus Müllcontainern zu legalisieren, hatte Steffen sich enttäuscht gezeigt. Es verstehe „kein Mensch, warum die Entnahme von Müll bestraft werden muss“.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen