: Nach wie vor Ausbeutung
Die Caritas im Oldenburger Münsterland berät seit einem Jahr Arbeitsmigranten, die sich diskriminiert fühlen
Ausländische Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor werden nach Angaben der Caritas nach wie vor ausgebeutet und diskriminiert. Diese Erfahrung hat der katholische Sozialverband im Oldenburger Münsterland mit den Landkreisen Vechta und Cloppenburg gemacht. Dort können Arbeitsmigranten seit einem Jahr sein Beratungsangebot nutzen. „Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, dass der Bedarf riesig ist“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Caritas-Sozialwerks Lohne, Heribert Mählmann.
Wie die Rechtsanwältin Marcella Bohlke bei einer Pressekonferenz der Caritas berichtete, wurden schwangere Frauen bei der Berechnung des Mutterschutzgeldes benachteiligt oder ihnen wurde unzulässiger Weise in der Probezeit gekündigt. Anderen Arbeitnehmern wurden Überstunden nicht bezahlt, der Lohn während des Urlaubs gekürzt oder sie wurden nach Krankheit gekündigt. In einem Fall habe eine Frau eine fristlose Kündigung erhalten, weil sie laut Gesetz nach neunmonatiger ununterbrochener Tätigkeit Anspruch auf dieselbe Bezahlung wie die Stammbelegschaft gehabt hätte.
Den Betroffenen fällt es oft schwer, sich zu wehren. Die meisten können kein Deutsch und sind vielleicht sogar Analphabeten. Außerdem kommen sie aus Ländern, aus denen sie keine rechtsstaatlichen Prinzipien kennen. In gutem Glauben unterschreiben sie Verträge, ohne Inhalte zu kennen. Die Menschen hätten oft Angst, rechtzeitig zur Beratungsstelle zu gehen, weil sie den Verlust des Jobs fürchten müssten, wenn der Arbeitgeber davon erfährt, sagte Mählmann.
Auf die Vorwürfe hingewiesen reagierten die Arbeitgeber unterschiedlich. Teils sprächen sie von einem „Fehler des Personalbüros“ und korrigierten fehlerhafte Abrechnungen, sagte Juristin Bohlke. Manche verweigerten jedoch das Gespräch. Ansprüche später vor Gericht durchzusetzen, sei schwierig, wenn die Arbeitnehmer wegen fehlender Deutschkenntnisse einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hätten oder es keine Nachweise etwa über Überstunden gebe. „Ich habe den Eindruck, dass darauf gesetzt wird, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer nicht verfolgt werden“, sagte der Jurist Josef Kleier.
Insgesamt hat das vierköpfige Caritas-Team in den vergangenen zwölf Monaten 140 Menschen in 600 Beratungsterminen betreut. 59 von ihnen stammten aus Rumänien, 65 waren in Schlachthöfen beschäftigt. (dpa)
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