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Job-Integration klappt besser als gedacht

Sachverständigenrat für Migration stützt das geplante Einwanderungsgesetz. Probleme gibt es bei der frühkindlichen Bildung und bei geflüchteten Jugendlichen

Wo komme ich her? Geflüchtete Kinder in einer Schule in Erfurt. Auch die Integration in die Schulen klappt ganz gut Foto: Gordon Welters/NYT/Redux/laif

Von Dinah Riese

Deutschland hat in den vergangenen fünf Jahren eine „beispiellose Dynamik“ in der Rechtsetzung im Bereich Migration an den Tag gelegt. So sieht es Thomas Bauer, der Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Am Dienstag stellte der SVR in Berlin sein Jahresgutachten vor. Darin analysiert der SVR die Migrationspolitik der vergangenen fünf Jahre – einer Zeit, in die auch die Hochphase der Fluchtzuwanderung in den Jahren 2015 und 2016 fällt.

Die Debatte über Migration sei in einer „Weise emotionalisiert und polarisiert, die das schon sehr erhitzte Klima der frühen 1990er Jahre noch zu übersteigen scheint“, heißt es im Gutachten. In den politischen Maßnahmen schlage sich das aber nicht wieder. Zu beobachten sei vielmehr ein „Balanceakt zwischen Migrationskontrolle und Integrationsförderung“. Beim Zugang habe es Restriktionen gegeben, Rückführungen seien erleichtert worden – zugleich habe es Verbesserungen bei der Integration sowie beim erleichterten Zugang für bestimmte Gruppen gegeben.

Das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz findet der SVR gut. Deutschland werde künftig, so das Gutachten, „stärker auf die Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen angewiesen sein, um den eigenen Bedarf an Arbeitskräften zu decken“.

„Angesichts der gegebenen Herausforderungen lässt sich festhalten: Wir haben durchaus viel geschafft“, hatte Bauer vorab der taz gesagt. Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten etwa sei viel positiver ausgefallen als zunächst prognostiziert. Im Bildungsbereich seien 2016 bereits 95 Prozent der in den Vorjahren nach Deutschland geflüchteten Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren zur Schule gegangen.

Probleme gebe es aber bei der frühkindlichen Bildung und bei selbst zugewanderten Jugendlichen. Hier habe sich der Anteil derjenigen ohne Schulabschluss mehr als verdoppelt. Bei Integrationsbemühungen dürfe man zudem nicht die große Gruppe der eingewanderten EU-Bürger*innen aus dem Fokus verlieren, betonte Bauer.

Die Kriminalität durch Ausländer*innen sei seit 2014 deutlich gestiegen, heißt es im Gutachten. Die Sachverständigen erklärten das zum Teil damit, dass junge Männer in dieser Gruppe stark überrepräsentiert sind – diese begingen „in allen Herkunftsgruppen“ die meisten Straftaten. Bei Geflüchteten spiele auch Traumatisierung eine Rolle. Um die Zahlen vollständig zu erklären, brauche es aber mehr Forschung. Schnellere Asylverfahren und mehr Investitionen in die Integration könnten präventiv wirken, sagte Bauer.

Massiv gestiegen ist laut Gutachten die Hasskriminalität gegenüber Menschen, die als „Fremde“ wahrgenommen würden. Von 2014 auf 2015 habe sie sich mehr als verdoppelt, heißt es. Mit dem Rückgang der Zuwanderungszahlen sei sie zwar wieder gesunken. Sie liege aber immer noch über dem Niveau von 2015.

Vorsicht mahnte Bauer beim Umgang mit Statistiken an. Die Kriminalstatistik etwa sei ein komplexes Gebilde – ausländische Tatverdächtige könnten ihren Wohnsitz außerhalb Deutschlands haben. Auch das Ausländerzentralregister (AZR) sollte man mit Vorsicht genießen. Das Gutachten zitiert Aussagen aus dem Bundesinnenministerium, wonach es bei diesen Daten „teils erhebliche Defizite“ sowie eine „signifikante Anzahl inkonsistenter oder unplausibel erscheinender Datensätze“ gebe. Das AZR ist meist Grundlage, wenn über die Zahl ausreisepflichtiger Personen gesprochen wird.

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