: Neuer Brexit-Anlauf im Juni
Nach der Europawahl will Theresa May ihren Brexit doch durchsetzen
Von Dominic Johnson
Die britische Premierministerin Theresa May versucht wieder einmal, ihren Brexit-Deal mit der EU doch noch durch das renitente Londoner Parlament zu bringen. Sie kündigte am Dienstag an, in der Woche ab 3. Juni das Gesetzeswerk zur Umsetzung des Deals – die „Withdrawal Agreement Bill“, die den im November 2018 mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag in britisches Recht überträgt und seine Klauseln in Gesetzesform gießt – ins Unterhaus einzubringen. Das ist für May der einzige verbleibende Weg, denn der Deal an sich kann nach seiner dreimaligen Ablehnung durch das Parlament nicht erneut zur Abstimmung gestellt werden. Das Brexit-Gesetzespaket soll bis zur Sommerpause Mitte Juli verabschiedet werden. Dann träte der Brexit Anfang August in Kraft.
Eine Mehrheit für May im Unterhaus ist allerdings bei anhaltender Ablehnung in den eigenen Reihen nur mit Hilfe aus der Opposition denkbar. Deswegen führt die Regierung seit April Gespräche mit der Labour-Opposition.
Bei diesen Gesprächen geht es vor allem um die Labour-Forderung, Großbritannien nach dem Brexit in einer Zollunion mit der EU zu halten. Das ist ein vertracktes Thema: Ein Verbleib in der EU-Zollunion ohne EU-Mitgliedschaft, was May befristet bis 2022 anbietet, würde Großbritannien an die EU-Außenhandelspolitik binden, ohne diese mitzugestalten, und britische Märkte ohne Anspruch auf Gegenseitigkeit für EU-Freihandelspartner öffnen. Das erlebt derzeit die Türkei. Die Labour-Idee einer dauerhaften Zollunion zwischen der EU-Zollunion und Großbritannien gilt als unausgegoren und als in Brüssel nicht durchsetzbar. Ohnehin löst eine Zollunion nicht das Problem des Nordirland-Backstops, an dem der Deal bislang gescheitert ist.
So rechnet niemand mit einem Erfolg der Gespräche, und damit ist auch keine Mehrheit für das Brexit-Gesetz in Sicht. Außer – und das scheint Theresa Mays Kalkül zu sein – die erwartete schwere Niederlage von Konservativen und Labour gegen Nigel Farages Brexit Party bei der Europawahl kommende Woche schweißt die Abgeordneten beider Großparteien in Angst zusammen.
Eine elegante Lösung brachte Labour am Mittwoch ins Gespräch. Man werde keinesfalls für das Brexit-Gesetz stimmen, sagte ein Sprecher von Parteichef Jeremy Corbyn; aber er ließ die Möglichkeit einer Enthaltung offen. Auf diese Weise könnte Mays Brexit durchkommen, ohne dass Labour Ja sagen muss.
Die erste Juniwoche wird in Großbritannien ohnehin turbulent. Zu Wochenbeginn kommt US-Präsident Donald Trump, am Donnerstag gibt es Nachwahlen in der Brexit-Hochburg Peterborough.
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